Das „Lebensbaumprojekt“ des Künstlers Ernst Gamperl umfasst rund 100 Holzobjekte – skulpturale Gefäße in unterschiedlichen Formen und Größen – die aus einer 230 Jahre alten Eiche gestaltet wurden. Die Werkserie ist das Ergebnis einer jahrelangen Auseinandersetzung mit Material und Form. Bereits zu Beginn seiner Laufbahn entwickelte Ernst Gamperl eine ganz eigene künstlerische Sprache – jenseits gängiger Regeln und Konventionen. Die historische Technik des Drechselns hat er radikal erneuert und in die Gegenwart geführt. Vom 22. November 2025 bis 26. April 2026 präsentiert das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) die Arbeiten des Holzgestalters in der Ausstellungsreihe „Contemporary Craft“, in der zeitgenössische Positionen im Kunsthandwerk vorgestellt werden.
DAS LEBENSBAUMPROJEKT
Der alte Eichenstamm, der 2008 bei einem Sturm im bayerischen Rott am Inn entwurzelt wurde, diente Gamperl als Ausgangspunkt für das umfassende, zehn Jahre währende Kunstprojekt. Für die Bearbeitung des gewaltigen, rund 33 Tonnen schweren Baumes erweiterte er seine Werkstatt und konstruierte neue Drehmaschinen. Seine Arbeit versteht Ernst Gamperl als einen „leisen, forschenden Austausch mit dem Baum“. Die den Bäumen innewohnende Kraft und Weisheit bezeichnet er als „Urkraft“.
Mit eigens entwickelten Werkzeugen lotet er dabei die Grenzen des Werkstoffs aus und bezieht beispielsweise den natürlichen Trocknungsprozess des Holzes sowie Unregelmäßigkeiten, Risse und Bruchstellen des Materials bewusst ein. Die Urkraft des Holzes spiegelt sich in den archaischen, geradezu monumentalen Formen, die durch ihre dünnwandigen Körper gleichzeitig filigran wirken. Durch die weitere Bearbeitung der Oberflächen – zum Beispiel mit Kalk und Eisenoxid – entsteht eine besondere Textur, die jedem Stück einen individuellen Charakter verleiht. In der Ausstellung veranschaulicht der halbstündige Dokumentarfilm „Ernst Gamperl – Dialog mit dem Holz“ von Niklas Goslar die Arbeitsweise des Künstlers.
BIOGRAFIE
Die Leidenschaft für das Drechseln entdeckte Ernst Gamperl (* 1965 in München) bereits während seiner Ausbildung zum Schreiner und brachte sich das Handwerk autodidaktisch bei. 1990 gründete er sein erstes eigenes Atelier im Allgäu und legte wenig später an der Fachhochschule Hildesheim die Meisterprüfung im Drechslerhandwerk ab. Die Arbeiten von Ernst Gamperl wurden unter anderem mit dem Bayerischen und Hessischen Staatspreis (1992, 1993, 1998, 2002) sowie dem Danner-Preis (1993, 1999) ausgezeichnet. 2017 erhielt eine Arbeit aus dem Lebensbaumprojekt den Loewe Foundation Craft Prize. Sein Lebensbaumprojekt wurde bereits im Gewerbemuseum Winterthur (2019), im Korean Craft Museum in Cheongju (2020) und im Bayerischen Nationalmuseum in München (2025) gezeigt. Gamperls Werke sind weltweit in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten.
CONTEMPORARY CRAFT
Die Ausstellungsreihe „Contemporary Craft“ stellt seit 2022 die Arbeit bedeutender internationaler Kunsthandwerker*innen und Künstler*innen vor. Ziel der Reihe ist es, den Stellenwert und die Sichtbarkeit des Kunsthandwerks im zeitgenössischen Diskurs zu erhöhen sowie die traditionellen Grenzen zwischen Kunst, Kunsthandwerk und Design zu überwinden.
KATALOG
Im Rahmen der Ausstellung ist der Katalog zum Lebensbaumprojekt „Ernst Gamperl: Zwiesprache“ erhältlich, hrsg. von Ulrike Spengler und Achim Heine, Deutsch/Englisch, 256 Seiten, 195 Abbildungen, arnoldsche Art Publishers, im Museumshop: 48 Euro.
Die Ausstellungsgestaltung wird von Max Guderian realisiert.
Die Ausstellung wird gefördert von der Hans Brökel Stiftung für Wissenschaft und Kultur und dem MK&G Freundeskreis, die Justus Brinckmann Gesellschaft.
Steintorplatz
20099 Hamburg