Die Ausstellung Kinder, Kinder! Zwischen Repräsentation und Wirklichkeit im Bucerius Kunst Forum widmet sich der Darstellung von Kindern in der Kunst vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Sechs Kapitel nähern sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und zeigen neben Gemälden auch Fotografien, Arbeiten auf Papier, Druckgrafiken, Medienkunst und Skulpturen.

In der Ausstellung werden unter anderem Werke von Tizian, Anthonis van Dyck, Oskar Kokoschka, Paula Modersohn-Becker, Nobuyoshi Araki, Thomas Lawrence, Joshua Reynolds, Rineke Dijkstra, Judith Leyster, Christoph Amberger, Gerhard Richter uvm. gezeigt.

Der Facettenreichtum der Ausstellung beleuchtet die vielfältigen Perspektiven und Funktionen von Kinderbildern über die Jahrhunderte hinweg. Ob als Symbol von Macht und Herrschaft, als Ausdruck von Mitgefühl oder als Momentaufnahmen glücklicher und trauriger Kindheiten: Die Darstellungen zeugen vom Wandel des Verständnisses vom Kindsein über die Jahrhunderte und verdeutlichen gleichzeitig die Bedeutung der Lebensphase Kindheit.

Bei dem Thema Kinderbilder spiegeln sich in besonderer Weise die Werte- und Normvorstellungen einer Gesellschaft und deren Wandel wider. So lassen sich anhand dieses Sujets etwa gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse ablesen. Herkunft, Status und mitunter auch das Geschlecht spielen hierbei eine wichtige Rolle. Dabei haben sich über Jahrhunderte hinweg gesellschaftliche Gruppen in der Inszenierung ihrer Kinder gegenseitig beeinflusst und zugleich ihre eigenen Darstellungen angepasst. Wie Kinder heute in der bildenden Kunst gezeigt werden, hängt also auch immer mit der Rezeption von Kinderbildern aus früheren Zeiten zusammen.

Die Ausstellung legt solche Querverweise und Prägungen der Vergangenheit bis heute offen und stellt dabei auch wiederkehrende Muster fest. Sie beginnt mit der Präsentation von Madonnendarstellungen, in welchen die Vorstellungen von Mutter-Kind-Beziehungen und ihr Einfluss über Jahrhunderte hinweg deutlich wird. Der Vater hingegen tritt meist in den Hintergrund. Erst wenn es darum geht, den Stammhalter der Familie vorzustellen, zeigen sich die Väter stolz und bewusst an der Seite ihres jungen Nachwuchses. Bis in die Moderne sind intime Vater-Kind-Bilder eine Seltenheit.

In adeligen Kreisen um 1500 entstanden, sollte das Kinderporträt den Fortbestand und Herrschaftsanspruch der Familien untermauern. Vor diesem Hintergrund werden die Thronnachfolger oftmals in Rüstung präsentiert. Dies ging mit ihrer zukünftigen Rolle als Feldherr und Herrscher einher. Eine spielerische Variante ist das Portrait historié, bei dem die Kinder beispielsweise als antike Götter dargestellt wurden. Töchter wurden bereits im jüngsten Alter aus heiratspolitischen Gründen abgebildet. Durch strategische Eheversprechen und frühe Verheiratung konnte der eigene politische Einfluss und die territoriale Macht ausgebaut werden. Im Laufe des 16. Jahrhunderts bildete auch das gehobene Bürger:innentum ihre Kinder im Porträt ab, wenngleich auch weniger aufwändig. Im 17. Jahrhundert hingegen wurde das repräsentative und extravagante Kinderporträt in den wohlhabenden Kreisen zunehmend populär.

Gerade im 17. Jahrhundert griffen niederländische und spanische Genremaler das Motiv armer Kinder auf, das bis heute fortlebt. Dabei ging es den Künstlern nicht unbedingt darum, einen gesellschaftskritischen Standpunkt einzunehmen. Denn nicht selten ist den Kindern in finanziell benachteiligten, oft auch prekären Lebenssituationen ein Lachen in das Gesicht geschrieben. Kinderarbeit wurde auch nicht grundlegend abgelehnt. Man sah darin einen positiven Beitrag, den die Kinder, zum Familieneinkommen beisteuern konnten. Fotografien verdeutlichen, wie unterschiedlich Kinder global und strukturell bedingt bis heute aufwachsen. So ist die Straße und nicht das Kinderzimmer für viele Kinder der Ort, an dem sie zusammenkommen, sozial interagieren und gemeinsam spielen.

Wie sich die Darstellung von Kindern über die Jahrhunderte verändert hat, wird im Besonderen durch das Kindertotenporträt deutlich. Früher waren Bildnisse verstorbener Kinder neben Totenmasken das einzige Mittel, um sie Erinnerung zu bewahren. Heute erfolgt das Gedenken auf andere Weise - beispielsweise durch lebensnahe Fotografien, welche Kinder in glücklichen Lebenssituationen zeigen.

Der gravierendste Wandel, der von einer anderen Auffassung und Definition von Kindheit zeugt, fand Ende des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert statt. Nun gestand die Gesellschaft Kindern eine möglichst naturnahe Entwicklung zu – möglichst abseits der Welt der Erwachsenen. Auch das Kinderzimmer erlangte zunehmend an Bedeutung, und Spielzeug sowie spezielle Kinderliteratur wurden als grundlegende Elemente seiner Ausstattung betrachtet. So gehört das Thema „Kindsein” in der bildenden Kunst bis heute zu den beliebtesten Bildthemen: Sich-Ausprobieren, an die Grenzen gehen, Zeichnen, Spiel und Miteinander sind prägend für die wichtigste Lebensphase des Menschen.

Mit dem Entdeckungskoffer durch die Ausstellung
Erstmals zu dieser Ausstellung steht den jungen Besucher:innen ein Entdeckungskoffer für den Besuch zur Verfügung, der kostenfrei and der Kasse oder Garderobe ausgeliehen werden kann. Der Koffer bietet Kunstentdecker:innen im Grundschulalter die Möglichkeit, Kunst auf spielerische Weise zu erleben und enthält verschiedene Sehwerkzeuge und Materialien. Fernrohr, Farbbrille, Prisma und Lupe laden dazu ein, die Ausstellung und das Haus auf eigene Faust zu erkunden. Zu den Inhalten gehören zudem spannende Aufgaben, welche die Aufmerksamkeit auf Details in der Kunst lenken. So erfahren sie spielerisch mehr über die Kunst, setzen sich aktiv mit den Werken auseinander und entwickeln eigene Perspektiven dazu.