DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam zeigt im Herbst 2025 die Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau. Gastkurator Kito Nedo widmet sich in der Gruppenausstellung der Frage, wie die ostdeutschen Plattenbau-Siedlungen in der Kunst verhandelt werden.
Wohnkomplex versammelt rund 50 Werke von: Karl-Heinz Adler, Sibylle Bergemann, Manfred Butzmann, Kurt Dornis, Markus Draper, Wolfram Ebersbach, Nina Fischer & Maroan el Sani, Seiichi Furuya, Peter Herrmann, Sebastian Jung, Gisela Kurkhaus-Müller, Harald Metzkes, Sabine Moritz, Henrike Naumann, Manfred Pernice, Uwe Pfeifer, Sonya Schönberger, Nathalie Valeska Schüler, Wenke Seemann, Robert Seidel, Christian Thoelke, Stephen Willats und Ruth Wolf-Rehfeldt.
Präsentiert werden Installationen, Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Filme, die seit den 1970er-Jahren entstanden sind. Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die den Plattenbau unterschiedlich betrachten und einordnen – als Ort des Wohnens, als Symbol sozialer Utopien und als Projektionsfläche gesellschaftlicher Veränderungen. Dabei steht der Plattenbau nicht nur als architektonisches Erbe im Zentrum, sondern als kultureller Resonanzraum, der Fragen nach Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Erinnerung aufwirft. Die Ausstellung verzahnt dabei künstlerische Arbeiten mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen und reflektiert, wie sich urbane Räume auf Lebensentwürfe und soziale Gefüge auswirken.
Sabine Moritz knüpft in ihren Arbeiten aus den frühen 1990er-Jahren an das kollektive Gedächtnis des Wohnens an. Aus der Erinnerung an ihre Kindheit im Plattenbauviertel Jena-Lobeda verbindet sie in ihren Zeichnungen individuelle Erfahrungen mit architektonischer Struktur.
Die Fotografien von Seiichi Furuya entstanden »gegen das Vergessen« als Erinnerungsfragmente und -dokumente einer vergangenen Zeit. Für die Ausstellung hat er eine Auswahl von knapp 300 Aufnahmen von Plattenbauten, Interieurs und Fernsehbildern aus seiner Zeit in Ostberlin und Dresden von 1985 bis 1989 ausgewählt, die in einer immer neuen, zufällig geordneten Abfolge als Projektion gezeigt werden.
Uwe Pfeifer setzte sich ab den 1970er-Jahren intensiv mit Halle-Neustadt auseinander, wo er selbst lebte. Seine Gemälde zeigen die menschenleeren Stadträume der sozialistischen Großwohnsiedlung und sind präzise Alltagsanalysen, durchzogen von Melancholie, urbaner Dystopie und leiser Kritik. Pfeifers Malerei bildet nicht nur die neu entstandene Architektur ab, sondern produziert ebenso psychologisch aufgeladene Bilder aus dem Inneren des Neubaugebietes.
In Sibylle Bergemanns Fotoserie P2 (1974–1981) scheint von der fortschrittlichen Wohnutopie der 1960er-Jahre nur noch wenig übriggeblieben. In den seriell-konzeptuell fotografierten Wohnzimmern spiegelt sich der Rückzug ins Private und das Verblassen eines sozialistischen Versprechens.
Markus Draper rekonstruiert in seiner Installation Grauzone (2015) DDR-Plattenbauten im Modellformat – Gebäude, in denen in den 1980er-Jahren mit Hilfe der Staatssicherheit RAF-Mitglieder untertauchten. Die Arbeit spielt mit Ost- und West-Klischees und entlarvt den trügerisch dichotomen Blick auf die deutsch-deutsche Geschichte.
Die 1995 in Leipzig geborene Künstlerin Nathalie Valeska Schüler thematisiert in ihrer Arbeit Aufriss II den DDR-Plattenbautyp PH16 – exemplarisch umgesetzt in Leipzig-Grünau – als Symbol gesellschaftlicher Utopien, Zuschreibungen und Brüche. Mittels fotografischer Detailaufnahmen, 3D-gedruckten Modellen und architektonischer Strukturanalysen verwebt Schüler materielle Spuren – wie Fingerabdrücke in asbesthaltigem Morinol – mit Fragestellungen zu Sichtbarkeit, Herkunft und Wohnen damals wie heute.
Wohnkomplex eröffnet neue Perspektiven auf ein Bau- und Lebensmodell, das bis heute nachwirkt. Ursprünglich war der Plattenbau das Herzstück der DDR-Sozialpolitik, ein Ort der Vergesellschaftung und ein Symbol für den realsozialistischen Fortschritt – bis 1990. Nach dem Ende der DDR wurde er zum Schauplatz schmerzhafter Transformationen und zum Sinnbild für sozialen Niedergang und rassistische Gewalt. Als moderne Ruinen warteten die Gebäude auf ihren Abriss, wurden saniert oder umgebaut. Der Plattenbau ist nie zum Denkmal geworden, sondern gelebte Gegenwart geblieben. Er ist ein DDR-Erinnerungsort, an dem das Wohnen weitergeht.
Begleitend zur Ausstellung erscheint im DISTANZ Verlag der Katalog Wohnkomplex – Kunst und Leben im Plattenbau in deutscher und englischer Sprache. Dieser präsentiert nicht nur die Werke der Schau im MINSK, sondern liefert zugleich eine kunst- und kulturhistorische Aufarbeitung eines wichtigen Kapitels der DDR- und Architekturgeschichte. Neben Texten von Kito Nedo und Kevin Hanschke umfasst der Katalog Gastbeiträge zum Wechselspiel von Kunst und Leben im Plattenbau: ein literarisches Essay der Schriftstellerin Grit Lemke, eine kulturhistorische Einordnung zur DDR-Plattenbaufotografie des Kulturhistorikers Prof. Bernd Lindner, ein Glossar der essenziellen Begriffe zum Komplex »Platte« von der Kunsthistorikerin Juliane Richter sowie eine Chronik zur Entwicklung der Plattenbauarchitektur und zur künstlerischen Innen- und Außenperspektive auf dieses Feld vom Architekten Philipp Meuser. Erscheinungsdatum: 6. September 2025.
Öffnungszeiten:
Mittwoch - Montag: 10:00 -19:00 Uhr
Dienstag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: dasminsk.de