„YES TO ALL“ – „Ja, wir nehmen alles“, mit diesem Satz haben das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und die Graphische Gesellschaft zu Berlin, die Vereinigung der Freunde des Kupferstichkabinetts e.V., vor drei Jahren die großzügige Schenkung von Paul Maenz und Gerd de Vries von rund 900 Arbeiten auf Papier angenommen. Nun wird das Engagement der beiden Stifter mit einer umfassenden Ausstellung im Kupferstichkabinett gewürdigt.
„Ich bin glücklich und dankbar, dass Paul Maenz und Gerd de Vries uns über die Graphische Gesellschaft zu Berlin erneut mit einer äußerst großzügigen Schenkung bedacht haben“, so Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts. „Damit setzen sie ein starkes Zeichen des bürgerschaftlichen Engagements für Museen und bereichern unsere Sammlung mit hochkarätigen und äußerst facettenreichen Arbeiten.“
Es handelt sich um eine besondere und nachhaltige Verbindung, denn Maenz und de Vries hatten dem Kupferstichkabinett und der Graphischen Gesellschaft bereits im Jahr 2004 eine Schenkung von 250 Werken übergeben.
Die anlässlich der erneuten Schenkung kuratierte Ausstellung gibt einen Überblick über die Werke. Die Schau enthält rund 200 Exponate, darunter Zeichnungen, Skizzen, druckgraphische Mappenwerke, Editionen und Collagen, Briefe und Postkarten von u.a. Saâdane Afif, Art & Language, Robert Barry, Sandro Chia, Enzo Cucchi, Sylvie Fleury, Walter Dahn, Hanne Darboven, Martin Disler, Jiří Georg Dokoupil, Hans Haacke, Anselm Kiefer, Joseph Kosuth, Giulio Paolini, Jonathan Monk, Bruce Nauman, Thomas Ruff, Salvo und Thomas Schütte.
Der Ausstellungstitel „YES TO ALL“ ist der gleichnamigen Arbeit der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury entlehnt. Anlässlich der Schenkung von Maenz und de Vries hat die Künstlerin getreu ihrer Ästhetik eines neuen, mit Mitteln der Werbung operierenden Feminismus die Worte „YES TO ALL“ mit rotem Lippenstift auf leuchtend weißes Papier geschrieben. Diese Zeichnung führt in die Ausstellung ein und ziert das Cover des begleitenden Katalogs. Der Schriftzug umreißt das weite Feld, in dem sich Paul Maenz und Gerd de Vries in ihrer von 1970/71 bis 1990 geführten Galerie in Köln und auch darüber hinaus bewegt haben, ein Feld, das auch die Schwerpunkte der Schenkungen markiert: Formal reduziert und sprachbasiert einerseits, sinnlich, subjektiv und feinstofflich andererseits, vereint Fleurys Zeichnung sowohl Qualitäten der konzeptuellen Kunst der 1960er Jahre als auch der italienischen Transavanguardia der späten 1970er Jahre und der deutschen expressiven Kunst der Neuen Wilden der 1980er Jahre. Ziel von Ausstellung und Katalog ist es, diese Schwerpunkte in einzelnen Kapiteln aufzuzeigen und zugleich die Verbindungslinien zwischen den künstlerischen Strömungen und Jahrzehnten zu betonen, sodass die westlich geprägte Kunstgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und des beginnenden 21. Jahrhunderts als ein vielstimmiges, internationales und verschiedene zeitliche Ebenen durchdringendes Geflecht erfahrbar wird.
Die Ausstellung ist in sechs Kapitel gegliedert: Das erste trägt den Titel „Schreibsysteme“ und ist der konzeptuellen Kunst gewidmet, die sich mit Sprache und Schrift als Bild, als Idee, als Sprechakt oder in der Negation von Bedeutung beschäftigt. Papierarbeiten von Art & Language, Hans Haacke, Joseph Kosuth, Robert Barry, Marthe Wéry, Hanne Darboven und Saâdane Afif sind darin zu sehen. Das zweite Kapitel gibt einen Einblick in die „ganz gewöhnlichen Bilder“ von Hans-Peter Feldmann. Nahezu alle Editionen des Künstlers befinden sich Dank der Schenkung von Maenz und de Vries nun im Kupferstichkabinett, sodass seine Werke in einem eigenen Ausstellungskapitel präsentiert werden. Kapitel drei bildet mit Giulio Paolini als einem wichtigen Vertreter der Arte Povera den Übergang zu Kapitel vier, das mit Werken von Sandro Chia, Francesco Clemente, Enzo Cucchi und Salvo der italienischen Transavanguardia gewidmet ist. Das deutsche Pendant zur expressiven Kunst Italiens findet sich in der Malerei der Neuen Wilden, dem fünften Kapitel der Ausstellung. Vor allem sind es die Künstler der „Mülheimer Freiheit“, darunter Peter Bömmels, Walter Dahn und Jiří Georg Dokoupil, deren Zeichnungen und Druckgraphiken umfassend in der Ausstellung repräsentiert sind. Sie werden durch Arbeiten von Martin Disler ergänzt, der unabhängig von der „Mülheimer Freiheit“ einen eigenen expressiven und zugleich düster anmutenden Ausdruck in seiner figurativen Kunst fand.
Dass die von Paul Maenz und Gerd de Vries betriebene Galerie nicht nur ein Ort für Ausstellungen, sondern auch ein Ort für Kommunikation und Diskussion, für Freundschaften und internationalen Vernetzung war, zeigt sich im zentralen Raum der Ausstellung mit dem Titel Aus dem Maschinenraum. Er ist jenem Bereich gewidmet, der üblicherweise unsichtbar bleibt, sozusagen „hinter den Kulissen“ zu verorten ist: dem Briefwechsel von Maenz und de Vries mit zahlreichen Künstler*innen – vor allem der Austausch mit Hanne Darboven, Giulio Paolini und Thomas Schütte gestaltete sich besonders intensiv – ebenso wie persönlichste und gleichermaßen skurrile Gegenstände, darunter ein Stofftaschentuch von Hanne Darboven, sind hier zu sehen. Eine weitere Seite von Sylvie Fleurys titelgebenden Leitspruch „YES TO ALL“ zeigt sich: Die Schenkung würdigt gleichermaßen das Kleine wie das Große, die kleine Skizze und Grußkarte wie auch die monumentale Papierarbeit.
Der Siebdruck „THANK YOU“ von Hans-Peter Feldmann aus dem Jahr 2002 am Ende der Ausstellung untermauert in sinnfälliger Weise den Dank des Kupferstichkabinetts und der Graphischen Gesellschaft zu Berlin für die großzügige Schenkung.
Künstler*innen der Ausstellung:
Saâdane Afif, Art & Language, John Michael Armleder, Robert Barry, Peter Bömmels, Daniel Buren, Sandro Chia, Francesco Clemente, Enzo Cucchi, Walter Dahn, Hanne Darboven, Martin Disler, Jiří Georg Dokoupil, Endart, Eva und Adele, Hans-Peter Feldmann, Sylvie Fleury, Hans Haacke, Keith Haring, Anselm Kiefer, Joseph Kosuth, Jonathan Monk, Bruce Nauman, Mimmo Palladino, Giulio Paolini, Pierre et Gilles, Patrick Poirier, rosalie, Thomas Ruff, Salvo, Gitte Schäfer, Thomas Schütte, Sturtevant, Niele Toroni, Lawrence Weiner, Marthe Wéry.
„YES TO ALL. Die Schenkung Paul Maenz Gerd de Vries für das Kupferstichkabinett“ wird kuratiert von Jenny Graser, ehemals Kuratorin für zeitgenössische Kunst am Kupferstichkabinett (2020–2024).
Öffnungszeiten:
Mittwoch - Freitag: 10:00 - 18:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag - Dienstag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: smb.museum