Das Georg Kolbe Museum präsentiert die Ausstellung Liaisons, die Arbeiten von sechs Künstlern in erstmaligem Dialog miteinander zeigt.

Liaisons zeigt die dialogische Begegnung zwischen Georg Kolbe und Herbert List, deren gemeinsame Faszination für die Antike ihre Sicht auf den männlichen Körper prägt. Lists Biografie, geprägt von Exil und Bruchlinien, spiegelt sich in einem sensibel-idealisierten Blick auf Freundschaft, Intimität und Vertrauen wider - in einer Zeit, in der Kolbes Männerbilder zunehmend verhärten. Mit Arbeiten von Georg Kolbe, Herbert List, Harry Hachmeister, Jens Pecho, Maurice Béjart und Wolfgang Tillmans entfaltet die Ausstellung eine Spurensuche über den männlichen Körper in der Kunst: Sie zeigt, wie Körperbilder zwischen Antike und Moderne, zwischen Intimität und Politik, zwischen persönlicher Erfahrung und gesellschaftlicher Normierung oszillieren. Dabei wird der Körper zum Medium von Freundschaft und Liebe ebenso wie von Macht und Repräsentation. Ausgehend von Herbert Lists letztem Foto Kolbes spannt Liaisons einen Bogen von den 1910er-Jahren bis in die Gegenwart und verbindet Vergangenheit und Gegenwart, persönliche Geschichten und kollektive Erinnerungen, Nähe und Distanz.

Im Herbst 1947, wenige Wochen vor seinem Tod, begegnete der Bildhauer Georg Kolbe (1877-1947) dem Fotografen Herbert List (1903-1975) in seinem Atelier in der Sensburger Allee - dem heutigen Georg Kolbe Museum. List nahm dort eine Serie von Porträts auf, die letzten Aufnahmenvon dem Bildhauer, bevor er starb. Ein Foto erschien im Januar 1948 im von der US-Regierung herausgegebenen Magazin Heute und verdeutlicht zugleich Lists Bemühen, an seine von Exil und Krieg unterbrochene Karriere anzuknüpfen.

Kolbe und List kannten sich vermutlich vorher nicht persönlich, doch verband sie ihr gemeinsamer Freund, der Kunsthändler Curt Valentin (1902-1954). Diese Dreiteilten eine tiefe Verehrung für die Antike und Michelangelo, die sich im Falle Kolbes und Lists insbesondere in der Darstellung des männlichen Körpers in ihren Werken zeigt - dabei hatten sie jedoch sehr verschiedene künstlerische Interessen und biografische Perspektiven. In der Ausstellung treten Kolbes Skulpturen und Lists Fotografien erstmals in einen aufschlussreichen Dialog. Lists Biografie ist geprägt von Brüchen: Als homosexueller Mann mit jüdischen Vorfahren verließ er 1936 Deutschland. Seine Reisen führten ihn nach Paris, London, Italien und Griechenland. Dort fotografierte er nicht nur die Ruinen antiker Stätten, sondern auch das unbeschwerte Lebensgefühl seines Freundeskreises. Diese Aufnahmen erzählen von Freundschaft, Intimität und Vertrauen und sind zugleich geprägt von einem sensibel-idealisierenden Blick auf den männlichen Körper - fern der nationalsozialistischen Vereinnahmung antiker Ideale.

Auch Kolbe war eng mit Italien und Griechenland verbunden. Bereits 1899 bis 1901 lebte er in Rom, wo er seine ersten plastischen Arbeiten schuf - Porträts junger italienischer Männer, der Beginn einer lebenslangen Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper. In den 1910er- und 1920er-Jahren entstanden fragile, vielfach androgyn wirkende Skulpturen, die von einer klassischen Auffassung von Form und Ausdruck geprägt sind Später wichen sie kraftvollen, heroischen Körperbildern, die Ausdruck einer zunehmend verhärteten Körperauffassung in den 1930er- und 1940er-Jahren sind und unweigerlich politische Lesarten hervorrufen. Die künstlerische Entwicklung Kolbes und Lists macht sichtbar, wie sehr Körperbilder an historische Kontexte, Ideale und gesellschaftliche Zuschreibungen gebunden sind. Die Ausstellung Liaisons entfaltet diese Verbindungen und lädt ein zu einer assoziativen, sinnlichen Erkundung der männlichen Figurein. Sie spürt den Motiven von Freundschaft und Liebe nach, zeigt Nähe als ästhetische wie soziale Erfahrung und fragt nach den Spielräumen des Körpers zwischen Intimität und Normierung, Vertrauen und Macht.

Dieses historische Geflecht erweitern die zeitgenössischen Künstler Harry Hachmeister (1979) und Jens Pecho (*1978). Ihre Arbeiten eröffnen neue Perspektiven auf Männlichkeit, Körperlichkeit und Identität. Hachmeister bringt Objekte wie Keramikhanteln und Medizinbälle in die Ausstellung ein, die auf den ersten Blick an Krafttraining erinnern, in ihrer Fragilität jedoch das Spannungsverhältnis von Stärke und Verletzlichkeit sichtbar machen. Seine Installationen verweben Fotografie, Malerei, Zeichnung und Keramik zu offenen Narrativen über Körper und Identitäten. Pecho arbeitet konzeptueller: Er nutzt bestehendes Material, das er bearbeitet und neu inszeniert. Seine Werke verschieben historische Kontexte und eröffnen einen kritischen, mitunter humorvollen Blick auf die Tradierung von Formen. Eine Soundinstallation etwa knüpft an eine frühere Museumspraxis an: In den 1950er-Jahren konnten Besucher:innen im ehemaligen Atelier Kolbes Musik von Schallplatten abspielen - ein Element der Inszenierung, das Pecho subtil in die Gegenwart holt.

Ein weiteres Kapitel der Ausstellung widmet sich dem Tanz. Mit Maurice Béjarts (1927-2007) Boléro rückt ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts in den Fokus, das männliche Tänzer aus der Rolle der bloßen Assistenzfigur befreite. In seinen legendären Choreografien schuf Béjart ausdrucksstarke Solorollen, die von Leidenschaft und Sinnlichkeit getragen sind. Der Tänzer Jorge Donn (1947-1992), mit dem Béjart auch privat verbunden war, war der erste Mann, der die Hauptrolle im Boléro übernahm. Umringt von vierzig Tänzern und getragen vom Crescendo der Musik, entwickelte seine Performance eine hypnotische Kraft - ein Moment, der die Beziehung von Körper, Nähe und Gemeinschaft neu definierte. Eine in der Ausstellung ebenfalls präsentierte Fotografie von Wolfgang Tillmans (2006) zeigt den Künstler und Tänzer Jimmy Robert und greift damit erneut das Motiv des Tanzes auf.

Liaisonsist Teil des 75. Jubiläumsjahres des Georg Kolbe Museums. Nach Tea and Dry Biscuits. Eine Jubiläumsausstellung, die im Frühjahr 2025 den Gründungsmoment des Museums in den Blick nahm, folgt im Oktober 2025 nun der zweite Teil mit Liaisons.