Der Titel „Inspiration SWANA“ steht in der Reihe der vorherigen Neupräsentationen „Inspiration Japan“ (2023) und „Inspiration China“ (2024). Die Sammlung von ca. 1.000 Objekten entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert als Vorbildsammlung und umfasst herausragende Einzelwerke, vor allem der Baukeramik. Mit der Neuaufstellung und Umbenennung der Sammlung wird koloniales Erbe transparent gemacht und eine Öffnung der Sammlung angestrebt. Diese Neuausrichtung einer vormals religiös als „Islam“ bzw. „Islamische Kunst“ bezeichneten Sammlung hin zu der geografischen Benennung SWANA ist international wegweisend: Die Sammlung wird in die Gegenwart fortgeführt und stärker mit Künstler*innen, Gestalter*innen und Communities in der SWANA-Region und ihrer Diaspora zusammengearbeitet.
Die fünf Ausstellungsräume, die 2015 als Dauerausstellung Islam entstanden, werden überarbeitet und setzen die thematischen Schwerpunkte Vielfalt und Wechselwirkung, Erbe und Wandel, Glaube und Spiritualität, Poesie und Figuration sowie Form und Funktion. Ergänzt werden die vier neuen Themenbereiche: Die Sammlung SWANA, Remix, Geometrie und Schrift. So entsteht ein wandelbarer Begegnungs- und Verhandlungsraum für zeitgenössische Positionen, für Mehrstimmigkeit und eine aktive Auseinandersetzung mit Kunst, Kunsthandwerk und Design aus der SWANA-Region.

KAPITEL DER SAMMLUNGSPRÄSENTATION
Im Einführungskapitel wird die Sammlung SWANA geografisch verortet und ihre Geschichte anhand von Karten, Archivmaterial und historischen Fotos vorgestellt. Eine Provenienzspur verdeutlicht anhand ausgewählter Beispiele, wie eng der Aufbau der Sammlung mit der kolonialen Erschließung der SWANA-Region um 1900 verknüpft ist.

Im Themenbereich Remix öffnen Künstler*innen, Designer*innen, Kunsthandwerker*innen und Wissenschaftler*innen Sichtweisen auf Erinnerung, Identität, Widerstand und Wandel in der SWANA-Region und ihrer Diaspora. Masoumeh Rezaeilouyeh und Leila Mousavi beziehen sich mit ihren Arbeiten „Phönix“ (2024) und „Threads of Resistance“ (2025) auf tradierte Textilmuster. Jana Traboulsi entwickelt ihr Buch „Kitab Al Hawamesh (The Book of Margins)“ (2021) als Ergebnis ihrer künstlerischen Untersuchung historischer arabischer Manuskripte. Mohsen Hazarti überführt in seinem „Fal-e Hafiz Project“ (2025) die persische Wahrsagetradition mit Gedichten des berühmten Dichters Hafiz in eine interaktive, KI-gestützte Anwendung. Adam Rouhana zeigt mit seinem Foto „Akawi Dreams“ (2022) aus der Serie „Before Freedom“ einen Moment der Hoffnung und palästinensisches Leben jenseits stereotyper Mediendarstellungen. Eine kuratierte Playlist der Hamburger Bewegung Hayat.Sounds versammelt Musik aus der SWANA-Region von Klassikern bis hin zu aktuellen Tracks.

Die arabische Schrift und ihre persischen und osmanischen Variationen verbinden die religiös, sprachlich, ethnisch, politisch und sozial vielfältigen Gesellschaften der SWANA-Region über nationale Grenzen hinweg. Gezeigt werden historische und zeitgenössische Kalligrafie von Iyad Shraim (2025) und Schriftgestaltung wie eine Seite aus einem Koran mit Kufi-Schrift (8.–9 Jh.). Das Hamburger Modelabel Habibi vermittelt mit einer interaktiven Position einen spielerischen Zugang zum arabischen Alphabet und der Veränderlichkeit der Buchstaben im Schriftbild. Begleitend gestaltet Habibi ein künstlerisches Banner für die Fassade des MK&G.

Das Thema Geometrie untersucht geometrische Muster, die in regionalen Ausprägungen charakteristisch für das Kunsthandwerk aus SWANA sind. Besonders deutlich wird dies am Beispiel einer ägyptischen Tür mit Intarsien (15.–16. Jh.) und spanischen Fliesen (15.–19. Jh.), die in ihrer Gestaltung von arabischer Baukunst geprägt sind. In dem funkelndem Spiegelmosaik „Untitled Convertible” (2016) von Monir Shahroudy Farmanfarmaian wird die Geometrie zu einer lebendingen Verbindung zwischen Spiritualität, Handwerk und Moderne. Werke der Künstlerin sind unter anderem vertreten in der Tate Modern, London, dem Metropolitan Museum of Art und dem Guggenheim Museum in New York. Gezeigt wird auch ein Poster von Studio Kargah (Aria Kasaei) anlässlich der Eröffnung des Monir Museum in Teheran 2017.

Form und Funktion beleuchtet, wie sich Bedeutung, Wirkung und Gestaltung gegenseitig bedingen. So entwickelt sich für die Unterzeichnung osmanischer Erlässe (18. Jh.) eine reich verzierte tughra, eine Art Monogramm des Sultans. Andere Beispiele sind ein osmanischer Fliesenbogen (16. Jh.) und ein Astrolabium (19. Jh.). Zeitgenössisch liegt der Fokus auf Schriftgestaltung: Kinda Ghannoum entwickelt als Lehrbeispiel ein neues Logo für den „Damascus International Fair“ (2025), Liad Shadmi kombiniert in seinem Wunsch für ein „Year of Peace | שנת שלום | سنة سلام” (2025) hebräische und arabische Schrift und Amir Mahdi Moslehi stellt in seinem „Mirza Poster” (2017) die von ihm entworfene Schriftart Mirza vor.

Poesie und Figuration sind oft miteinander verbunden. Figuration als Darstellung von Mensch und Tier entwickelt auf Objekten eine vielfältige Bildsprache, die oft auf literarischen oder mündlich tradierten Erzählungen beruht. Zu den Highlights gehören das Manuskript „Divan-i Muhibbi“, eine Sammlung von Gedichten von Sultan Süleyman I (1554) sowie ein persischer Teppich mit Tieren (17. Jh.). Das Plakat „Mein blasses Gesicht errötet mit dem Blut meines“ (2012) von Homa Delvaray zitiert einen Vers von Hafiz.

Glaube und Spiritualität zeigt einen Ausschnitt der religiösen Vielfalt in der SWANA-Region mit Schwerpunkt auf dem schiitischen Islam. Hervorzuheben sind hier der Moscheekoran (1564–1565) aus Tabris und die Friesfragmente vom Mausoleum des Buyan Quli Khan (um 1359) in Buchara, Usbekistan, die zu den Highlights der Sammlung zählen. In ihrer Arbeit „YA YA YA YA YA, NE NE NE NE NE” (2023) verbindet Anahita Razmi schiitische Ritualpraktiken mit Joseph Beuys Werk „Ja Ja Ja Ja Ja, Nee Nee Nee Nee Nee“ (1969). 

Erbe und Wandel zeigt am Beispiel von Luxusgütern in Glas und Metall sowie Grabgestaltung in Form von sabäischen Figuren und Schrifttafeln Kontinuitäten, Brüche und Anfänge in der SWANA-Region von den frühen Hochkulturen bis zur Gegenwart auf. Motive und Techniken, die bereits in antiken Kulturen entstanden sind, werden bis heute weitergetragen, angepasst und neu interpretiert. Omid Arabbay thematisiert mit seiner Arbeit „The Void between Smoke and Dust” (2024) die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan Afghanistan 2001.

Der Raum Vielfalt und Wechselwirkung ist dem Sammlungsschwerpunkt Gefäßkeramik gewidmet. Die chronologisch geordneten Keramiken veranschaulichen, wie kunsthandwerkliche Traditionen über verschiedene Kulturen miteinander verflochten sind – sowohl innerhalb der SWANA-Region als auch im Austausch mit Ostasien und Europa. Besonders beeindruckend sind Gefäße mit Lüsterglasuren, aber auch sehr frühe Gebrauchskeramik mit Inschriften sowie ägyptische Wasserfilter aus dem 10. Jahrhundert. Hierauf beziehen sich auch die Beispiele der „The Jug Filter Series” (2020) von Ibrahim Said.