Diango Hernández (* 1970 in Sancti Spíritus, Kuba) hat für die Kestner Gesellschaft ein ortsspezifisches Projekt mit dem Titel „Bañistas“ (dt. Badende) entwickelt. Diese große Wandarbeit im Café Tender Buttons ist sowohl eine Hommage an die persönliche Biografie des Künstlers und die Erinnerung an seinen Geburtsort als auch eine Reflexion über die ursprüngliche Funktion des aktuellen Gebäudes der Kestner Gesellschaft, das im kollektiven Gedächtnis als Ort der Freizeitgestaltung – als Schwimmbad – bekannt ist: das ehemalige Goseriedebad, das 1905 eröffnet und 1982 stillgelegt wurde.

„Jeder Künstler ist Teil dessen, was wir schaffen“
„Heimat bedeutet Zugehörigkeit – und umgekehrt“, bekennt Diango Hernández, der seit den frühen 2000er Jahren in Deutschland – in Düsseldorf – lebt. „Für mich existiert Kunst immer in absoluter Beziehung zu autobiografischen Dingen und das bedeutet nicht, dass ich Kunstwerke als Biografien oder Ähnliches lese oder verstehe, sondern dass jeder Künstler, mich eingeschlossen, Teil dessen ist, was wir schaffen.“

Wandmalerei ist in Kuba Tradition
Seine Sehnsucht nach der verlorenen Heimat, dem Strand, den Früchten und der Sprache prägt ihn ebenso wie sein bildhauerisches und malerisches Werk, das immer auch seine Vergangenheit und Erziehung sowie die revolutionäre Kultur im kommunistischen Kuba abbildet. Die kubanische Tradition der Wandmalerei, die nationale, gesellschaftskritische und historische Themen reflektiert, bleibt eine der wichtigsten Inspirationsquellen dieses Künstlers.

Das Projekt Instopia: Aus digitalen Objekten werden reale Skulpturen
Sein Werk „Bañistas“ symbolisiert mit der Wasserwelle den Atlantischen Ozean, Havannas sowie Hernández‘ künstlerische Bildsprache. Drei Metallskulpturen, vor den Wellen platziert, gehören zu einer Reihe von Werken mit dem Titel „Instopia“. Diese Objekte sind Reminiszenzen an soziale Aktivitäten, die in erster Linie von Instagram stammen. Bevor sie in ihrer tatsächlichen Form und mit ihren Materialien existierten, waren sie zunächst digitale Objekte. Diese wurden von Hernández dann virtuell in Fotos von real existierenden Räumen – ausgestattet mit luxuriösem Interieur – hineinkopiert.
Damit entsteht ein verwirrender Moment von Realität und Virtualität. Hernández bemerkt hierzu: „Der Prozess beginnt damit, dass ich ein Bild von einem dieser luxuriösen Räume auf Instagram oder online finde. Dann entwerfe ich ein virtuelles Kunstwerk, es könnte ein Gemälde, ein Wandbild oder eine Skulptur sein, von dem ich denke, dass es in diesem speziellen, fotografierten Raum perfekt aussehen würde. Dann platziere ich mein Kunstwerk digital in das Bild des Raumes und poste dieses neue Bild auf meinem Instagram-Account. Das Werk wird erst dann zu Instopia, wenn es Sie glauben lässt, dass es ‚echt’ ist.“

Kunst mit sozialen Medien verbinden
In Bezug zu seiner Installation in der Kestner Gesellschaft fügt Hernández hinzu: „Was wir in beiden Werken, der Wandmalerei und den drei Skulpturen, sehen, ist mein Wunsch als Künstler, Kunst mit sozialen Medien zu verbinden und diese Verbindung zu nutzen, um die Möglichkeiten des Dialogs und des Verständnisses zu erweitern, die eine solche einzigartige Verbindung mit sich bringen könnte. Ich möchte, dass diese Präsentation das digitale Gefühl nachahmt, dass sie unwirklich wirkt, dass sie näher an jener Perfektion ist, die soziale Plattformen wie Instagram ausstrahlen.“

Die Gestik der Welle und des Wassers führen in der Kunstgeschichte unwillkürlich zu den Meisterwerken Paul Cézannes, der mit seinen Gemälden von Badenden – Die Großen Badenden (1898–1905) – Ende des 19. Jahrhunderts nachfolgend von vielen weiteren Künstlern bewundert wurde und diese bedeutsam inspirierte.

Biografie
Diango Hernández begann seine künstlerische Praxis 1994 in Kuba als Mitbegründer des Ordo Amoris Cabinet, einer Gruppe von Künstlern und Designern, die sich auf erfundene Lösungen für Wohnobjekte konzentrierten, um den ständigen Mangel an Materialien und Waren auszugleichen. Der Künstler zog 2003 nach Europa und lebt und arbeitet heute in Düsseldorf. Seine Arbeiten waren unter anderem Gegenstand von Einzelausstellungen in der Kunsthalle Basel (2006) und im Neuen Aachener Kunstverein (2007), der Biennale von Venedig sowie auf der Biennale von Sydney und der Biennale von São Paulo (beide 2006) ausgestellt. Sein Werk war Gegenstand der von der Kritik gefeierten Ausstellung „Losing You Tonight“ im Museum für Gegenwartskunst, Siegen (2009), und 2010 waren zwei Installationen in "The New Décor" in der Hayward Gallery, London, zu sehen.