"Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit." So formulierten es Kandinsky und Marc in ihrem Almanach "Der Blaue Reiter" 1912. Dieses Credo inspirierte das Lenbachhaus zu einer neuen Präsentation, die das Schaffen der Künstler*innen des Blauen Reiter in den Zusammenhang der im Almanach veranschaulichten kunst- und kulturhistorischen Erzählung einbettet. Erstmals können in der Ausstellung die Verbindungen zwischen bayerischer und russischer Volkskunst, japanischen Holzschnitten, Kinderzeichnungen, zeitgenössischer Musik sowie den im Almanach abgebildeten Werken aus Bali, Gabun, Ozeanien, Sri Lanka, Mexiko und Ägypten konkret nachvollzogen werden. Durch den Dialog zwischen bedeutenden Leihgaben und den vertrauten Sammlungsbildern eröffnen sich neue Perspektiven auf das Selbstverständnis des Blauen Reiter.
Im Sinne des Projekts "Gruppendynamik" ist das kollektive Arbeiten im Kreis des Blauen Reiter ein Leitgedanke der Ausstellung: Den gemeinschaftlichen Arbeitsaufenthalten in Murnau und Sindelsdorf werden einzelne Räume gewidmet, ebenso der Rekonstruktion der 1. und 2. Ausstellung in der Münchner Galerie Thannhauser und der Kunsthandlung Goltz. Neu gedacht wird auch die bisher geläufige Rezeption des Blauen Reiter, in der "Hauptfiguren" wie Münter, Kandinsky, Marc, Macke und Klee weitere wichtige Mitglieder wie Elisabeth Epstein und Maria Franck-Marc überschattet hatten.
Nicht zuletzt thematisiert das Projekt die Auswirkungen des europäischen Kolonialismus auf das Kunstverständnis des Blauen Reiter. Gefangen in der Mentalität des Hochimperialismus vor dem Ersten Weltkrieg, gelang es auch seinen Mitgliedern nicht, eine emanzipatorische Auffassung von Kunstproduktion jenseits des europäischen Horizonts umzusetzen. Doch die Vision von einer Gleichberechtigung der Kunst aller Völker und Zeiten war wegweisend und hat nichts von ihrem Anspruch verloren.
Das Projekt wird im Rahmen des Programms Museum Global. Sammlungen des 20. Jahrhunderts in globaler Perspektive von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Der neuen Sammlungspräsentation des Blauen Reiter folgt vom 19. Oktober 2021 bis 24. April 2022 eine zweite Ausstellung Gruppendynamik – Kollektive der Moderne, die weltweit tätigen Künstler*innengruppen gewidmet ist.
Eine Ausstellung in Kooperation mit der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
Das Lenbachhaus nimmt am Projekt "MuSeenLandschaft Expressionismus" teil; zu sehen ist die Ausstellung "Gruppendynamik – Der Blaue Reiter". Die Ausstellungsreihe "Avantgarde in Farbe. Blauer Reiter, Brücke, Expressionismus" führt auch ins Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See, das Schloßmuseum Murnau, das Franz Marc Museum in Kochel am See und das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk.
Kuratiert von Annegret Hoberg, Matthias Mühling, Anna Straetmans.