Der deutsch-schweizerische Künstler Dieter Roth (*1930 in Hannover, †1998 in Basel) zählt zu den einflussreichsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Als „Künstler–Künstler“ ist er in internationalen Sammlungen und Museen präsent und beeinflusst bis heute viele Künstlerkolleg:innen mit seiner mitunter radikalen und experimentellen Werkauffassung.

Die Deichtorhallen Hamburg widmen Roth in der Sammlung Falckenberg eine große Ausstellung seines druckgrafischen Werkes. Das OEuvre gilt als eines der facettenreichsten und interdisziplinärsten der bildenden Kunst. Seine sich immer wieder neu definierende Kunstauffassung lässt sich besonders anschaulich durch seine Druckgraphiken vermitteln. Jede Werkphase findet dort ihren Niederschlag, so dass der Ausstellung ein Retrospektivcharakter zukommt. Präsentiert wird eine Werkuüersicht, angefangen bei seinen frühesten Jugendarbeiten uüer Beispiele der konkreten Kunst und Poesie, philosophische Exkurse und Materialexperimente, in denen Roth Wurst und Käse in der Graphik verarbeitet, bis hin zu den späten, eher malerischen Stillleben und Landschaften und seinen tagebuchartigen Werken. Die thematischen Sektionen sind flankiert durch eine Auswahl seiner Künstlerbücher.

Mit der Ausstellung GEPRESST GEDRÜCKT GEQUETSCHT. DIETER ROTH UND DIE DRUCKGRAPHIK in der Sammlung Falckenberg zeigen die Kurator:innen mit rund 1.000 Arbeiten praktisch alle Motivschwerpunkte in Dieter Roths künstlerischem Schaffen. Die 16 Ausstellungssektionen illustrieren die immense Schaffenskraft Roths und die Simultaneität diverser Techniken und Sujets, mit denen er sich künstlerisch auseinandersetzte. Sie bietet die seltene Übersicht über das stilistisch schwer zu fassende Werk und zeigt viele bis heute ungesehene Arbeiten.

Nach Dieter Roth Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker und der Aneignung tiefgreifender Kenntnisse in druckgrafischen Prozessen, experimentierte der Künstler schon früh mit unterschiedlichen Drucktechniken und Materialien. In seinen Kaltnadelradierungen, Linol- und Holzschnitten entwickelte er schnell eine eigene Formsprache zwischen filigranen, figürlichen Darstellungen und expressiver Abstraktion. Inspiriert von den geometrischen Prinzipien der „Zücher Konkreten“ schuf Roth Op Art-Werke und kinetische Objekte. In der Folgezeit ging er 1965 für einen Lehrauftrag in die USA und lehrte an der Rhode Island School of Design in Providence. Hier wandte er sich noch radikaler dem Experiment zu und arbeitete spontaner und prozessualer. Auch Lebensmittel gehörten ab jetzt zu seinen bevorzugten Arbeitsmaterialien. So schuf Roth seine berühmten »Literaturwürste«, Verfallsobjekte und »Schimmelbilder«. Dem folgten in den 1970er Jahren Kollaborationen mit Künstlerkollegen wie Richard Hamilton oder Arnulf Rainer.

Seit Anbeginn setzt er alle Werkphasen auch in druckgraphische Erzeugnisse um, in denen sich auch zahlreiche Beispiele für die Kollaborationen finden. In der Hochzeit der Druckgraphik in den 1970er Jahren unterhielt er eine eigene Werkstatt, in der alle gängigen Techniken gedruckt und kombiniert werden konnten. Zugleich hat das Medium Druckgraphik bei Roth keinen reproduktiven Charakter, sondern dient ihm als eigene Technik der Bildfindung.

Dieter Roth verstand sich nicht nur als bildender Künstler, sondern auch als Dichter. Lange gab er als Berufsbezeichnung »Schriftsteller« an. Konsequent verschränkte er sein literarisches mit dem künstlerischen Schaffen. Immer wieder verfasste Roth lyrische und prosaische Literatur und erforschte vor allem in der Betitelung seiner Kunstwerke die Wechselwirkungen von Schrift, Sprache und Wortspielen. Zusammen mit Künstlern wie Ed Ruscha darf er zudem als einer der maßgeblichen (Wieder-)Entdecker des Künstlerbuchs gelten, indem er die Bücher zum Teil mit Unikat-Charakter zu eigenen Kunstwerken weiterentwickelte.