Die Ausstellung Geschichte(n) Tansanias beleuchtet die wechselhaften Geschichte(n) des Gebietes des heutigen Tansanias. Kurator*innen aus Dar es Salaam, Songea und Berlin haben die Ausstellung kollaborativ entwickelt. Sie tauschten sich mit Repräsentant*innen aus Tansania aus und zeigen in der Ausstellung deren unterschiedliche Perspektiven und Erzählungen, die sich auch mit der gewaltsamen deutschen Kolonialherrschaft und deren Konsequenzen beschäftigen. Zu sehen sind zudem künstlerische Positionen von ostafrikanischen Künstler*innen sowie Kurzfilme von Schüler*innen aus Berlin und Dar es Salaam, die sich auf Spurensuche des Kolonialismus in ihren Städten begeben haben. Ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm tansanischer Künstler*innen aus den Bereichen Film, Tanz, Fotografie, Medien-Kunst und Musik findet zur Eröffnung der Ausstellung statt. Als Höhepunkt des Programms rund um die Eröffnung präsentiert die tansanische Tanz Company MUDA Africa die Europapremiere ihrer aktuellen Arbeit Frozen Power.

Das Gebiet des heutigen Tansanias ist eine der am längsten besiedelten Regionen der Erde. Günstig am Indischen Ozean gelegen, trieben die dort lebenden Gesellschaften schon früh Handel und waren in transregionale Handelsnetzwerke eingebunden. Während der deutschen Kolonialherrschaft zwischen 1884 und 1919 war Tansania Teil der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“, danach wurde es bis zur Unabhängigkeit 1961 unter dem Namen „Tanganyika“ unter britische Herrschaft gestellt. Die Folgen von Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt der Kolonialherrschaften sind bis heute spürbar. Während dieser Zeit wurden Tausende, heute Cultural Belongings genannte ‚Objekte‘ nach Deutschland gebracht. Allein im Ethnologischen Museum in Berlin befinden sich heute mehr als 10.000 ‚Objekte‘ aus dem Gebiet des heutigen Tansania.

Die Ausstellung
Die Ausstellung Geschichte(n) Tansanias erzählt die vielseitigen und tief in die Vergangenheit reichenden Geschichten der Gesellschaften und Menschen, die auf dem Gebiet des heutigen Tansanias lebten. Gleichzeitig widmet sich die Ausstellung den hier gezeigten Cultural Belongings: Sie thematisiert nicht nur deren Herkunft und Bedeutung, sondern stellt auch Fragen nach ihren Geschichte(n) und Kontexten, die im musealen Archiv nicht dokumentiert wurden. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Zeitraum der kolonialen Unterdrückung und Ausbeutung. Dabei werden koloniale Narrative kritisch reflektiert und rassistische Zuschreibungen hinterfragt. Wer schreibt wessen Geschichte und warum?

Die Ausstellung wurde kollaborativ entwickelt: Kurator*innen aus Dar es Salaam, Songea und Berlin sowie Vertreter*innen von Communities in Tansania kommen in Texten und filmischen Interviews in der Ausstellung zu Wort. Die Cultural Belongings und die Beiträge unterschiedlicher Perspektiven werden in einer Architektur aus Teakholz und Bambus präsentiert, die die ‚Objekte‘ zugleich schützt und eine ästhetisch-sinnliche Erfahrung bietet.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Ausstellung Geschichte(n) Tansanias zeugt von der gelungenen Zusammenarbeit des tansanisch-deutschen Kuratorenteams und den Vertreterinnen und Vertretern von Communities in Tansania. Sie macht die Perspektiven der Menschen des heutigen Tansanias auf beeindruckende Weise sichtbar. Insbesondere anhand der Cultural Belongings nimmt sie uns mit auf Reisen durch die Geschichte Tansanias. Ich bin davon überzeugt, dass die Ausstellung hierdurch einen wichtigen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit unserem kolonialen Erbe leistet.“

Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums: „Das Humboldt Forum als Haus der internationalen Vielstimmigkeit ist in der Ausstellung eindrucksvoll erlebbar. Als Ergebnis einer mehrjährigen kollaborativen Zusammenarbeit zwischen hiesigen Kuratorinnen und ihren Kolleginnen und Kollegen in Tansania finden in der Ausstellung kuratorische und künstlerische Positionen, Positionen von Vertreterinnen und Vertretern tansanischer Communities und vielfältiges Erfahrungswissen zu multiperspektivischen Geschichten zusammen. Die Ausstellung ist programmatisch und impulsgebend für unsere Arbeit im Humboldt Forum und wird, so hoffe ich, neue Prozesse anstoßen um gemeinsam mit Besucherinnen und Besuchern auch in Bezug auf Deutschlands koloniale Vergangenheit neue Perspektiven auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eröffnen.“

Noel Lwoga Direktor des National Museum of Tanzania: „Wir, das Nationalmuseum von Tansania, hatten das Privileg, eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung dieser Ausstellung einzunehmen – von der Provenienzforschung, die die Grundlage für die Interpretation der Sammlungen bildete, über die Konzeption der Ausstellung bis hin zur Unterstützung des gemeinsamen Kuratorenteams während der intensiven Vor-Ort-Recherche. Im Rahmen der Ausstellungserarbeitung haben das National Museum of Tanzania und tansanische Gemeinschaften unschätzbare historische und kulturelle Einblicke beigetragen, damit das Ausstellungsnarrativ authentisch die tansanische Bevölkerung, ihr Erbe und ihre Identität widerspiegelt.“

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: „Seit gut zehn Jahren arbeiten wir mit unseren tansanischen Partnern daran, einen gemeinsamen Umgang mit der Geschichte und unserer Tansaniasammlung zu finden. Ein Teil der Objekte untrennbar mit der damaligen Gewaltherrschaft verbunden. Umso wichtiger ist es, dass diese beeindruckende Ausstellung das Ergebnis einer wirklich zukunftsweisenden Zusammenarbeit ist. Ich wünsche ihr viele Besucherinnen und Besucher und dass sie Debatten auslöst: über Europa und Afrika, Vergangenheit und Verantwortung, aber auch über das Gemeinsame für die Zukunft in dieser einen Welt. Das ist die Mission des Humboldt Forums.“

Künstlerische Positionen in der Ausstellung
Werke von ostafrikanischen Künstler*innen setzen sich kritisch mit dem kolonialen Blick auseinander. In Context Not Available (Kontext nicht verfügbar) erkunden Charity Atukunda, Liz Kobusinge und Gloria Kiconco das Nachwirken kolonialer Fotografie aus Ostafrika.

Der Künstler Amani Abeid erzählt in vier Comics die Geschichten von vier Cultural Belongings. Die Comics sind als A4-Blöcke konzipiert, von denen einzelne Seiten von Besucher*innen mitgenommen werden können. Der Entwicklungsprozess der Ausstellung

Den Entwicklungsprozess der Ausstellung begleiteten die Filmemacher Nicholas Calvin Mwakatobe und Samuel Tarangei Letayo mit ihren Teams. In der Ausstellung sind zahlreiche Aufnahmen der Herkunftsorte der Cultural Belongings sowie Interviews mit Repräsentant*innen aus Tansania zu sehen.

Die Ausstellung ist eine Kollaboration des National Museum of Tanzania, des Ethnologischen Museums und des Zentralarchivs, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.


Öffnungszeiten:
Mittwoch - Montag: 10:30 - 18:30 Uhr
Dienstag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: smb.museum