Das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Museumsjubiläum. Zum Auftakt der Geburtstagsfeierlichkeiten eröffnet das Museum am 8. März 2025 die große Ausstellung „Marc Chagall – Bildsprachen“ (bis 9. Juni 2025). Mit über 120 Gemälden, Zeichnungen und Grafiken beleuchtet die Schau die Verbindung zwischen Bildender Kunst und Literatur im Werk des weißrussischen Farbkünstlers.
Meret Meyer, Enkeltochter Marc Chagalls und Vizepräsidentin des Comité Chagall in Paris, schenkt dem Picasso-Museum anlässlich des 25jährigen Jubiläums ein großzügiges Geschenk in Gestalt von 118 Lithografien und zehn Malerbüchern ihres Großvaters. „Mit der Schenkung möchte ich die bestehende Chagall-Sammlung des Picasso-Museums ergänzen und Möglichkeiten für weitere Ausstellungen und neue Blickwinkel auf Chagall schaffen“, erklärt Meret Meyer. Nur einmal zuvor hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester Bella einem Museum ein Werkkonvolut aus ihrem Privatbesitz vermacht: Dem Centre Georges Pompidou im Jahre 2022. „Bei uns mangelt es nicht an Ideen“, ergänzt Museumsleiter Prof. Dr. Markus Müller. „Wir haben die Ausstellungskonzepte der kommenden Jahre schon im Köcher.“
Im Kontext der aktuellen Chagall-Ausstellung wird erstmalig das Malerbuch Cirque mit 10 Blättern aus dieser Schenkung präsentiert. Für das 1967 veröffentlichte Werk hat Chagall zahlreiche Lithografien geschaffen und einen Text geschrieben, in dem er über die Welt der professionellen Clowns, Jongleure und Akrobaten reflektiert.
Chagall galt als „Dichter mit den Flügeln eines Malers“. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie der Malerpoet in seinem Schaffen beides miteinander vereint: Er malt zeitlebens mit Worten und Klängen und nutzt die Bildlichkeit seiner jiddischen Muttersprache. Diese dient ihm oftmals Inspirationsquelle für die Motive seiner Gemälde. So stellt der mit dem Künstler befreundete Schriftsteller Leo Koenig fest: „Chagall sieht mithilfe der oder durch die jiddische Sprache.“ Der weißrussische Künstler schreibt mit Anfang 30 seine Autobiografie „Mein Leben“ und versieht das Werk mit Illustrationen, die ein humorvoll zärtliches Bild seiner weißrussischen Heimat und seiner Verwandten zeichnen.
Der schreibende und dichtende Maler Chagall steht in schöpferischem Dialog mit großen Schriftstellern. So illustriert er in seiner französischen Wahlheimat Mitte der 20er Jahre die russische Provinzposse „Die toten Seelen“ von Nicolai Gogol. Die Fabeln des französischen Dichters Jean de la Fontaine erhalten in seiner Bildregie eine Frische und Unmittelbarkeit, die vergessen macht, dass sie bereits von zahllosen Künstlern vor ihm illustriert wurden.
Aus dem amerikanischen Exil kehrt Marc Chagall 1948 wieder nach Frankreich zurück und entdeckt die Seine-Metropole in einem grandiosen Bildzyklus noch einmal neu für sich und seine Kunst. Mit „Poèmes“ realisiert er 1968 ein Gesamtkunstwerk aus Text und Bild, indem er zu eigenen Gedichten farbige Holzschnitte schafft. Chagalls Bilder lassen Themen und Motive aufscheinen, die auch in seinen Gedichten umkreist werden, doch die Bilder illustrieren nicht seine Texte. Beide Kunstformen sind seinem Verständnis nach komplementär, ergänzen sich wechselseitig in schöpferischem Dialog: „Ich male vielleicht, weil dies die Worte ersetzt, die mir fehlen“, schreibt er dem befreundeten Schriftsteller und Publizisten Jean Paulhan.
Neben zahlreichen großformatigen Gemälden in opulenter Farbigkeit werden auch über vierzig Entwurfsskizzen Chagalls gezeigt, die noch nie öffentlich zu sehen waren. Die Werke erlauben intime Einblicke in die Arbeitsweise dieses größten Farbvirtuosen des 20. Jahrhunderts. So lockt die Präsentation mit teils unbekannten Facetten des weltbekannten Künstlers.
Die ausgestellten Werke Chagalls aus über 40 Schaffensjahren machen sichtbar und erfahrbar, dass er zeitlebens mit dem Pinsel schrieb und mit Worten malte. Text und Bild sind die zwei unentbehrlichen Ausdrucksformen, in denen sich seine hellsichtige Vision der Welt in immer neuen Bildsprachen konkretisiert.
Picassoplatz 1
48143 Münster