Wie werden Designprodukte in Szene gesetzt? Wie arbeiten Designer*innen, Fotograf*innen, Grafiker*innen und Unternehmen zusammen? Seit wann gibt es grafische und fotografische Werbung? Wie kaum eine andere ermöglicht die Sammlung des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) eine Gegenüberstellung von Designobjekten und ihrer Inszenierung in Grafik und Produktfotografie. Die Ausstellung „Hello Image. Die Inszenierung der Dinge“ befasst sich mit der kreativen Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen aus den Bereichen Design, Fotografie und Grafik und präsentiert die Gestaltung der Produkte und deren in Szene gesetztes Image aus unterschiedlichen Perspektiven. Über 400 Objekte veranschaulichen in acht Kapiteln beispielhafte Geschichten des Produkt- und Werbedesigns von den Anfängen des 20. Jahrhunderts bis heute.
Zu sehen sind zahlreiche bekannte Designklassiker aus der MK&GSammlung sowie Leihgaben aus London, Paris und Mailand, darunter die Bauhaus-Leuchte von Wilhelm Wagenfeld, Möbel von Charles und Ray Eames und Memphis-Design von Ettore Sottsass. Ikonen der Mode von Martin Margiela und Issey Miyake sind ebenso vertreten wie bekannte Fotografien von Lucia Moholy und Kampagnen von Oliviero Toscani für United Colours of Benetton, und Juergen Teller für JW Anderson sowie zentrale Grafikarbeiten von Giovanni Pintori und Otl Aicher. Die Ausstellung präsentiert zudem spannende Entdeckungen, dazu gehören Werke der Designer*innen Margarete Jahny und Erich Müller, der Fotografin Ingeborg Rams, der Grafiker*innen Lora Lamm, Emilio Fioravanti und Wolfgang Schmidt sowie des italienischen Studios Ballo + Ballo.
KAPITEL DER AUSSTELLUNG
Die Ausstellung präsentiert in acht Kapiteln 18 Fallstudien, die zeigen, wie Design, Fotografie und Grafik seit 1925 in einem kreativen Dialog zusammenwirken: Unter dem Motto Grafische Gestaltung oder Fotografie? wird der historische Umbruch von Typografie und Grafik zur Fotografie in der Werbung am Beispiel der Firma Kaffee Hag deutlich. Bis 1925 prägte die grafische Gestaltung von Alfred Runge und Eduard Scotland das Image der Marke. Durch die Zusammenarbeit mit Albert Renger-Patzsch setzte Kaffee Hag mit einem der bekanntesten Fotografen seiner Zeit auf das neue Medium Werbefotografie.
Das Kapitel Eine neue Form finden verfolgt die Entwicklung der Gestaltung durch neue Materialien wie Glas und Metall etwa in den Entwürfen von Wilhelm Wagenfeld und Marianne Brandt und die damit verbundene sachliche Formensprache von den 1920er Jahren bis in die Nachkriegszeit. In der Fotografie wird diese neue Klarheit der Form von Fotografen wie Albert Renger-Patzsch und Hans Finsler gefeiert. Besonders deutlich wird dies mit dem Einzug des Laborporzellans in das Haushaltsporzellan, dessen schlichte Formen zum Beispiel in den Entwürfen von Marguerite Friedlaender auftaucht. Auch in der Nachkriegszeit setzte die sogenannte „Gute Form“ auf eine Gestaltung ohne Schnörkel.
Das Thema Ein Markenbild prägen stellt bekannte Traditionsunternehmen wie Pelikan, Olivetti oder Pirelli als Auftraggeber vor, die viele kreative Kooperationen initiiert haben. Bekannt für seine Schreibmaschinen, arbeitete der italienische Hersteller Olivetti lange mit denselben Gestalter*innen zusammen und gründete eine große Werbeabteilung, die mit Kampagnen und Verpackungsdesign einen ganzheitlichen Auftritt schuf. In den 1950er Jahren prägte insbesondere der Industriedesigner Marcello Nizzoli und der Grafiker Giovanni Pintori das Erscheinungsbild. Ergänzt wurde dieses Firmenimage durch die zeitgemäße Architektur der Produktionsstätten und die Einrichtung der Olivetti-Geschäfte.
Das Kapitel Das Politische und Provokation als Werbestrategie beleuchtet den Ansatz, bei dem Werbung gezielt mit Inhalten oder Aussagen provoziert und Stellung bezieht. Die auf Diversität setzende Kampagne von Doyle Dane Bernbach für das jüdische Lebensmittelunternehmen Levy’s (1967) aus New York gilt ebenso als Beispiel wie die umstrittenen Benetton-Kampagnen des Fotografen Oliviero Toscani: In den 1980er und 1990er Jahren regte er mit Themen wie Umweltschutz, Rassismus oder HIV zum Nachdenken an.
Im Themenbereich Künstler*innen arbeiten angewandt steht das wechselseitige Interesse von Künstler*innen an Design im Vordergrund. Die Kooperation des Modeschöpfers Martin Margiela mit der Künstlerin Marina Faust sowie die Zusammenarbeit des Labels JW Anderson mit den Keramikerinnen Magdalene Odundo und Shawanda Corbett und dem einflussreichen Fotografen Juergen Teller stehen beispielhaft für diesen Austausch. Wie in keinem anderen Themenbereich wird die gegenseitige Inspiration und Wertschätzung deutlich.
Das Kapitel Dialoge fokussiert auf langjährige, oftmals auf persönlicher Verbundenheit und gemeinsamen Interessen beruhende Zusammenarbeiten von Kreativen. Elf Jahre lang arbeiteten der Modedesigner Issey Miyake und der Fotograf Irving Penn in einem stummen Dialog und intensivem Austausch miteinander. Miyake verwendete den japanischen Ausdruck „A Un“, um seiner seit dem Studium anhaltenden Bewunderung für Irving Penn Ausdruck zu verleihen, was so viel heißt wie „zwei Menschen, die gemeinsam atmen“. Beide interessieren sich für eine Materialität, die mit einer Ästhetik der Schlichtheit arbeitet und sich unter anderem gegen konventionelle Vorstellungen von Luxus und Status richtet. Geometrische Formen sind für Miyakes Schnitte wie für Penns Bildanordnungen bestimmend.
In den späten 1980er und führen 1990er Jahren rückte die Selbstinszenierung von Designer*innen zunehmend in den Vordergrund. Die Persönlichkeiten entwickelten sich zu eigentlichen Stars der Inszenierung in Werbekampagnen. Das Unternehmen Rasch Tapeten verzichtete zum Beispiel vollständig auf das zu bewerbende Produkt und stellte stattdessen bekannte Architekt*innen und Designer*innen mit ihrem Möbel vor eine weiße Wand – „Was fehlt ist die Tapete von Rasch.“, so der Werbeslogan. Philippe Starck setzte Maßstäbe in der Selbstinszenierung von Designpersönlichkeiten, indem er seinen Produkten sein Gesicht verlieh. Besonders ikonisch sind die von Jean-Baptiste Mondino aufgenommenen Porträts: Sie zeigen den oberkörperfreien Starck, der seine Produkte – darunter den Wasserkessel „Hot Bertaa“ – als Tätowierungen auf seinem Körper inszeniert.
Der Bereich Neue Werkzeuge, neue Fotograf*innen betrachtet aktuelle Tendenzen der Inszenierung, die in Sozialen Medien wie Instagram allgegenwärtig sind. Dort wird auf die „Street Credibility“ der Influencer*innen gesetzt, die der Inszenierung durch ihren Einfluss scheinbar demokratische Züge verleiht wie anhand der Modemarke Telfar deutlich wird, die auf ihrem Account Material von Käufer*innen der Designertaschen zeigen. Mit der Mayday (1999) schuf der Produktdesigner Konstantin Grcic beispielsweise eine multifunktionale Leuchte, die heute als Gebrauchsobjekt in vielen Wohnungen zu finden ist. Während der Hersteller Flos die Leuchte schlicht vor freigestelltem Hintergrund inszeniert, verschafft die Journalistin Jasmin Jouhar der Mayday ein individuelles Image: Sie sammelt Bilder der Leuchte in privaten Wohnungen und Büros auf ihrem Instagram-Account @made_my_mayday.
POSITIONEN DER AUSSTELLUNG
Otl Aicher, Don Albinson (Eames Office), Theo Baumann, Herbert Bayer, Arthur Benda, Lucian Bernhard, Fulvio Bianconi, Florian Böhm, Marianne Brandt, Ballo+Ballo, B.B.P.R., Santi Caleca, Clino Castelli (Olivetti), Charles und Ray Eames, Georg Eckelt, Michael Engelmann, Marina Faust, Michel Feith, Hans Finsler, Emilio Fioravanti, Marguerite Friedlaender, Tomás Gonda, Hein Gorny, Konstantin Grcic, Hermann Gretsch, Gerd Grimm, Oskar Hermann Werner Hadank, Hans Hansen, Hildegard Heise, Louis Held, Bernd Heyden, Ewald Hoinkis, Margarete Jahny, Jasmin Jouhar, Peter Keetman, Joachim Kellner, Fritz Kempe, György Kepes, Perry A. King, Marvin Koner, Arthur Köster, Max Krajewsky, Béatrice Kunz, Lora Lamm, Franz Lazi, Rouli Lecatsa, El Lissitzky, Heinrich Löffelhardt, Vico Magistretti, Gerhard Marcks, Martin Margiela, Michael Loos Visual, Herman Miller, Issey Miyake, Willi Moegle, Lucia Moholy, László Moholy-Nagy, Jean-Baptiste Mondino, Ugo Mulas, Erich Müller, Hansi Müller-Schorp, Marcello Nizolli, Magdalene Odundo, Ian Padgham, Marziano Pasqué, Irving Penn, Trude Petri, Roberto Pieracini, Giovanni Pintori, Prince Gyasi, Dieter Rams, Ingeborg Rams, Albert Renger-Patzsch, Hans Roericht, Olivier Rousteing, Daniel Rubin, Alfred Runge, Wolfgang Schmidt, Hildi Schmidt Heins, Claudia Schneider-Esleben, Curt Schumann, Kurt Schwitters, Eduard Scotland, Ridley Scott, Ettore Sottsass, Philippe Starck, Josef Sudek, Ladislav Sutnar, Allene Talmey, Ikko Tanaka, Juergen Teller, Olivero Toscani, Hans von Klier, Wilhelm Wagenfeld
MARKEN IN DER AUSSTELLUNG
Apple, Artemide, Benetton, Elbeo, Erco, JW Anderson, Jacquemus, Jenaer Glas & gen., Staatliche Porzellan Manufaktur (KPM), Levy’s, Olivetti S.p.A., Pelikan, Pirelli, Schott & Gen. Jenaer Glas, Schönwald, Telfar, Thomas Porzellanwerke, Rosenthal, Vitsoe
KATALOG
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit Abbildungen des bekannten deutschen Produktfotografen Hans Hansen und Beiträgen von Konstantin Grcic, Viktoria Lea Heinrich, Linus Rapp, Esther Ruelfs, Sven Schumacher, Deyan Sudjic, hrsg. von Tulga Beyerle, Viktoria Lea Heinrich, Esther Ruelfs, Deutsch/Englisch, 192 Seiten, Hirmer Verlag, München, 49,90 Euro.
Die Ausstellungsarchitektur entwirft die Berliner Gestalterin Katleen Arthen, die Ausstellungsgrafik übernimmt das Münchener Grafikstudio strobo B M.
Die Ausstellung wird gefördert durch den Ausstellungsfonds der Freien und Hansestadt Hamburg, die Hubertus Wald Stiftung und die Ernst von Siemens Kunststiftung.
Steintorplatz
20099 Hamburg