Sie heißt wie eine Bürgerinitiative und war ursprünglich auch mal eine: Die Museumsinitiative (MI) trägt ihre Geschichte im Namen. Und das mit Stolz, denn ohne das Engagement von Nürnberger Bürger:innen hätte es das Neue Museum wahrscheinlich nie gegeben. Bis heute unterstützt der Verein der Freunde und Förderer des Neuen Museums die Arbeit des Hauses am Klarissenplatz. Das Sammeln von Kunst begreift der Verein als seine vornehmste Aufgabe. Seit seiner Gründung im Jahre 1987 konnten rund 200 Werke erworben werden.

Das 25-jährige Bestehen des Neuen Museums ist Anlass für eine Ausstellung in den Fassadenräumen, die anhand ausgewählter Beispiele die Sammeltätigkeit der MI schlaglichtartig beleuchtet. Lieblingsstücke des Fördervereins finden ebenso Berücksichtigung wie Ankäufe mit einer besonderen Geschichte. Auch die eine oder andere Schenkung an den Verein ist dabei. Darin dokumentiert sich eine Verwurzelung des Neuen Museums in der Stadtgesellschaft und der Region, ohne die das Haus seinem Auftrag nicht gerecht werden kann.

Werke in der Ausstellung (Auswahl):
Mut beweist die MI, wenn sie ihren Mitgliedern mitunter auch schwere Kost zumutet. Dazu zählt gewiss auch jene Installation aus vier Motorrädern, für die lediglich ein künstlerisches Konzept existierte, als die Arbeit 1991 als dritte Erwerbung des Vereins angekauft wurde. Lolita von Ange Leccia bedient sich der Readymade-Ästhetik von vier schweren BMW-Maschinen. Im Dreieck von Industriedesign, literarischer Vorlage und dem Soundtrack aus Stanley Kubricks Verfilmung des Nabokov-Romans gelingt dem Künstler ein schlagendes Bild für fragwürdige Männerphantasien.

Im mittleren Raum des Erdgeschosses wird zwei Skulpturen von Gary Kuehn ein Beton-„Fenster“ von Isa Genzken gegenübergestellt. In ihrer Kompromisslosigkeit und Rauheit finden die so verschiedenen plastischen Werke einen gemeinsamen Nenner. Gary Kuehn zählt zu den Vertretern des Postminimalismus, der die physische Dimension von Form anhand von Phänomenen von Spannung, Druck und Verformung thematisiert. Auch Isa Genzkens „Fenster“ ist demonstrativ schwer. Seine Materialität will sich keiner Funktion unterordnen.

Im größten Fassadenraum bilden drei Werke von drei Künstlern ein abgeklärtes, ausgesprochen museal wirkendes Ensemble. Die beiden britischen Künstler Michael Kidner und Bridget Riley haben ihre Wurzeln in der Op-Art. Regelmäßige Strukturen – ondulierte Formen bei Kidner und Rauten bei Riley – entwickeln in der Wahrnehmung einen visuellen Mehrwert, der hier als Bewegung und dort als farbiges Flimmern in Erscheinung tritt. Die puristische Plastik von Norbert Kricke, die nur rechte Winkel kennt und den Raum in allen Richtungen vermisst, wirkt dagegen ausgesprochen streng.

Auch im Obergeschoss gehört der vorderste Raum einer Installation. Lifeline von Matthew McCaslin überrascht durch ein Übermaß an technischem Equipment. Monitore, Player, Ventilatoren, elektrische Uhren und viele Kabel und Kabelkanäle lassen nicht vermuten, dass es sich um ein sehr poetisches, ja anrührendes Werk handelt. Die auf den Bildschirmen laufenden Bilder stellen urbanen Straßenszenen vereinzelte Naturaufnahmen gegenüber. Damit spielt McCaslin auf jenen Film von John Schlesinger an, dessen Soundtrack die Installation melancholisch färbt: Midnight Cowboy. Der unsichtbare Film dient als Fluchtpunkt einer pessimistischen Perspektive auf eine urbane Realität, in der Wind nur noch aus Ventilatoren kommt und die Uhr das Leben diktiert.

Der mittlere Fassadenraum im Obergeschoss wird dominiert von einem riesigen Folienbild von Julian Opie, das eine junge Frau zeigt. Der englische Künstler ist durch seine am Comic geschulte Kunst bekannt geworden. Immer wieder ist es erstaunlich, wie wenig visuelle Information es braucht, um Porträtähnlichkeit zu garantieren. Opies Motivwelt ist ausgesprochen lapidar und alltäglich. In dieser popkulturellen Haltung ähnelt er dem schottischen Künstler Nick Evans, dessen Figuration die Abstraktion überlebt hat, jedoch nicht ohne so manche Verstümmelung. Mit viel Humor machen sich seine knorpeligen Gestalten als Lampenhalter und Nachtwächter behilflich.

Mit ähnlichem Humor widmen sich Böhler & Orendt einem sehr ernsten Thema: der Zerstörung der Natur. Im hintersten Fassadenraum des Obergeschosses haben Matthias Böhler und Christian Orendt eine Krankenstation eingerichtet. Ihr Patient ist ein Baumstamm, umstanden von überdimensionalen Blättern, die als Displays für Zeichnungen des Künstlerduos dienen, in denen das Baum- und Artensterben, der Klimawandel und alle anderen vom Menschen verschuldeten Katastrophen mit viel Sarkasmus behandelt werden. Bei der Installation handelt es sich um den jüngsten Ankauf der Museumsinitiative – und wieder bekennen sich die Freunde und Förderer zum Unbequemen und Sperrigen.


Zu dieser Ausstellung wurde ein Multimedia-Guide entwickelt, der mit Smartphone oder Tablet vor Ort sowie vom Klarissenplatz aus oder über die Homepage des NMN von zuhause aus nutzbar ist. Er hält spannende und abwechslungsreiche Hintergrundinformationen zur Museumsinitiative, den präsentierten Werken sowie zu den Künstler:innen bereit.