100 Jahre nach dem Ende des Osmanischen Reiches (1299-1922) zeigt das Museum Fünf Kontinente in der Sonderausstellung In trockenen Tüchern. Gewebtes und Besticktes aus dem Osmanischen Reich etwa 70 Tücher und Gebrauchsgegenstände aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Bestickte Tücher waren im Osmanischen Reich allgegenwärtig. Während sie von den städtischen Eliten auch im alltäglichen Leben verwendet wurden, bewahrte sie die ländliche Bevölkerung sorgfältig auf und präsentierte sie vor allem zu besonderen Anlässen wie Hochzeit, Geburt oder Beschneidung.

Mit ihrer Formenvielfalt und der Variation gängiger Einzelmotive bezeugen die Tücher die Kunstfertigkeit und den Ideenreichtum der Herstellerinnen. Das Besondere ist ihre Gleichseitigkeit: Die Tücher haben keine Vorder- und Rückseite, sondern verfügen über zwei identische Schauseiten mit gegenläufigen Motiven. Aus ungefärbtem Baumwoll- oder Leinenstoff gefertigt, weisen die Tücher an den Schmalseiten aufwendig bestickte Bordüren aus Metall- und Seidenfäden auf oder sind mit blauroten Webmustern versehen. Zu Kompositionen aus Blüten, Früchten und Architekturelementen - oft in alternierender Farbgebung ausgeführt - gesellen sich Abfolgen geometrischer Gestaltungselemente.

Die gezeigten Arbeiten brechen mit der Vorstellung von Stickerei als rein weiblicher Handarbeit: Wurden die für die Aussteuer oder den eigenen Bedarf bestimmten Tücher in häuslicher Produktion hergestellt, stammt ein Großteil der luxuriösen Exemplare aus städtischen Manufakturbetrieben, in denen insbesondere Männer angestellt waren.

Im Zusammenspiel mit Alltagsobjekten aus Holz, Keramik und Metall bieten die Textilien einen Einblick in verschiedene Verwendungs-kontexte wie das öffentliche Bad (Hamam) oder die Bewirtung von Besuch im häuslichen Umfeld. Gleichzeitig wird in der Ausstellung ersichtlich, wie Könnerschaft, Reichtum und Status über die gewebten und bestickten Tücher kommuniziert wurden. Heute sind diese textilen Objekte ein bedeutender Teil des kulturellen Erbes der Türkei.

Zusammen mit Stücken aus den museumseigenen Beständen werden Exponate aus den Privatsammlungen von Werner Middendorf und Ulla Ther präsentiert. 

Gürteltuch mit Blüten an Ranken, 1. Hälfte 19. Jh., © Museum Fünf Kontinente, Foto: Nicolai Kästner
09.12.2022 - 11.06.2023

In trockenen Tüchern. Gewebtes und Besticktes aus dem Osmanischen Reich

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