„Do women have to be naked to get into the Met.Museum?" Mit diesem legendären Poster machte die Aktivist*innen-gruppe Guerrilla Girls 1989 in New York darauf aufmerksam, dass Frauen zwar ein beliebtes Bildmotiv sind, aber nur wenige weibliche Positionen in Museen, Galerien und Kunstinstitutionen ausgestellt werden. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich das international bekannte Kollektiv aus den USA mit humorvollen, aufklärenden und anklagenden Arbeiten gegen Sexismus, Rassismus, Diskriminierungen sowie Machtmissbrauch und Korruption im Kunstbetrieb. Für das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) entwickeln die Guerrilla Girls eine eigene Arbeit, die die Sammlung des Museums kritisch evaluiert. In der Ausstellung „, The F* word - Guerrilla Girls und feministisches Grafikdesign" im MK&G bilden die Plakate der Künstlerinnengruppe den Ausgangspunkt der Gruppenschau, die rund 400 Arbeiten von 1870 bis heute umfasst.

GUERRILLA GIRLS
Seit 2022 befindet sich das Gesamtwerk der Guerrilla Girls im MK&G, nun wird es erstmals umfangreich präsentiert. Die Gruppe gründet sich 1985 in New York als Reaktion auf eine Ausstellung des Museum of Modern Art, die den Anspruch hatte, einen internationalen Überblick zeitgenössischer Malerei und Skulptur zu geben. Unter den 165 vertretenen Künstler*innen waren nur 13 Frauen und noch weniger BIPoC (Black, Indigenous, People of Colour). Seither die Guerrilla Girls auf Ungleichheiten, Diskriminierung und Machtverhältnisse im Kunstbetrieb aufmerksam. Dazu nutzen sie Statistiken und pointierte Formulierungen, die auf Plakaten, Flyern, Broschüren und in Videos eindringlich auf Veränderung pochen. Bei den Performances, die ebenfalls zentraler Bestandteil ihrer Arbeit sind, tragen sie Gorillamasken, um ihre Anonymität zu wahren und sicher zu stellen, dass die Botschaften, nicht die Personen im Vordergrund stehen. Die Gruppe besteht aus aktiven Künstler*innen und agiert inzwischen international. Zwar liegt der Fokus weiterhin auf der Kunstwelt, doch werden zunehmend auch Film und Theater, Popkultur und Politik kritisiert. Die Ausstellung im MK&G ist die erste in einem Museum für Gestaltung. Kritik und Veränderung sind dringend notwendig: Weniger als 1,5% der Arbeiten in der Sammlung Grafik und Plakat werden Gestalterinnen zugeordnet, BIPoC und LGBTQI* sind so gut wie nicht vertreten. Das MK&G nutzt daher den Impuls der Aktivist*innen, um die eigene Sammlung zu evaluieren und neue Sammel- und Ausstellungspraktiken zu entwickeln.

SELBSTKRITIK UND SAMMUNGSANALYSE
Um die Notwendigkeit der Kritik der Guerrilla Girls zu unterstreichen, macht die Ausstellung die enorme Schaffenskraft von Gestalterinnen der letzten 150 Jahre sichtbar. Zu sehen sind herausragende Arbeiten aus der Sammlung: Film-, Theater- und politische Plakate, Zeitschriften- und Buchcover, Flyer, Anzeigen, Ex Libris, Schriftentwürfe und historische Ornamentstiche. Die unbestreitbare Qualität dieser Arbeiten wirft die Frage auf, warum so wenige von ihnen bekannt sind. Wie entstehen
(Un-)Sichtbarkeiten? Welche strukturellen Bedingungen gilt es in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen? Und um welche Positionen und Themen sollte die Sammlung in Zukunft ergänzt werden?

FEMINISTISCHES GRAFIKDESIGN
Ein weiterer Teil der Ausstellung eröffnet die historische und fortwährende Relevanz aktivistischer und feministischer Gestaltung. Gezeigt werden zeitgenössischen Positionen wie die Grafikerin Anja Kaiser, das niederländische Designstudio The Rodina, das Missy Magazin, die Illustratorin Anke Feuchtenberger und Sheila Levrant de Bretteville, die den feministischen Diskurs ab den 1970er Jahren vorangetrieben hat. Historische Plakate, die Teil des Kampfes um Wahlrecht und Selbstbestimmung von Frauen sind, dokumentieren die Konstanz, Breite und Vielfalt feministischer Positionen und Forderungen. Ein umfangreiches Konvolut von Protestplakaten vor allem der Frauenbewegungen in den 1970er und 1980er Jahren macht zudem greifbar, mit welchen visuellen Strategien sich Feminist*innen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung, Solidarität und Diversität eingesetzt haben. Die ungebrochene Relevanz und Notwendigkeit feministischer Kämpfe wird unter anderem in einer Sammlung von queerfeministischen Zines - selbst gestaltete, produzierte und vertriebene, magazinähnliche Publikationen - deutlich. Die Zines wurden durch einen Open Call zusammengetragen. Die so entstandene, neue Zines-Sammlung ist nur einer von vielen Impulsen, die von der Ausstellung ausgehen und die Sammlung Grafik und Plakat nachhaltig verändern werden. Die Ausstellung bildet den Auftakt einer Neuausrichtung der Sammlung und zeitgemäßer Ausstellungs und Vermittlungsformate, geprägt von Neugierde auf bisher nicht erzählte Geschichten, spannende zeitgenössische Positionen und dem Wunsch nach Forschung und Vernetzung.

Die Ausstellungsgestaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit O.F.I.S.; Rimini Berlin entwickelt die Ausstellungsgrafik und eine „Ausstellung in der Ausstellung" zu Schriftgestalterinnen; Distaff Studio konzipier die Vermittlungsstationen.