Elise Eeraerts & Roberto Aparicio Ronda sind ein interdisziplinäres Künstlerduo mit einem Hintergrund in Kunst und Architektur. In ihrer Arbeit beschäftigen sie sich mit den zahlreichen Faktoren, die Einfluss nehmen auf Landschaften und Ökosysteme und ermitteln, wie ökologische Veränderungen sowie soziale Infrastrukturen ihre Spuren hinterlassen. Ihre Ausstellung im Kunstverein Arnsberg ist nach drei aufeinander folgenden Ausstellungen, Performances und einem Symposium, der letzte Teil des einjährigen Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramms Versumpfung. Sie werden die Räume des Kunstvereins buchstäblich in ein Sumpfgebiet verwandeln. Film, Architektur, Licht und Pflanzen fließen zusammen in eine raumgreifende Installation.
Es ist nicht das erste Mal, dass Eeraerts und Ronda den Sumpf als Motiv und Nährboden für ihre Arbeit erforschen. Im Jahr 2021 haben sie in einer ortsspezifischen Installation „C (Bargerveen)“ Energie und insbesondere Kohlenstoffkreisläufe thematisiert. Das „Torfmoor Bargerveen” ist ein großes Sumpfgebiet in der Nähe von Zwartemeer, unweit der deutsch-niederländischen Grenze. Die installativen Elemente wurden direkt im Internationalen Naturpark Bourtanger Moor- Bargerveen ausgestellt.
Für ihre aktuelle Ausstellung im Kunstverein Arnsberg setzten sie sich nun mit dem Kirkpatrick Marsh in Maryland, USA auseinander. Nach ihrem Aufenthalt vor Ort präsentieren sie eine räumliche und visuelle Übersetzung ihrer Recherche. In dieser Moorlandschaft trafen sie auf Wissenschaftler:innen des Smithsonian Environmental Research Center (SERC, Umweltforschungszentrum des Smithsonian-Instituts), die untersuchen, wie Pflanzen- und Tierarten auf Schwankungen von CO2, Temperatur, Stickstoff, Methan und den Anstieg des Meeresspiegels reagieren. Hier werden globale Klimaveränderungen in spezifischen architektonischen und computergesteuerten Infrastrukturen manipuliert, um die Situation des nächsten Jahrhunderts zu simulieren.
Eindrucksvolle Luftaufnahmen kombiniert mit Nahaufnahmen der multidiversen Pflanzen-
und Tierwelt bilden die visuelle Grundlage des Films „Moors and Mires/Kirkpatrick Marsh“. In Interviewausschnitten sprechen die Wissenschaftler:innen, die im Kirkpatrick Marsh arbeiten, über ihre Arbeit und ihre Erkenntnisse.
Sie berichten aber auch von ihren ganz persönlichen Erfahrungen und die sich stets ändernden spezifischen Bedingungen, unter denen sie ihre Forschung betreiben. Der Dokumentarfilm-Charakter wird in ihrem Film zunehmend zu einer düsteren, computergenerierten Erzählung.
Die räumlichen Elemente der Ausstellung sind visuelle Echos der Sumpflandschaft, die die wissenschaftlichen Narrative und deren Ästhetik mit dem Gefühl des in der Landschaft seins in eine poetische Zukunftsvision verwandelt. Die „Phragmites australis“, ist als „invasive“ Grasart eine der Hauptfiguren in der künstlerisch-ökologischen Handlung. Die Pflanzen existieren seit mehreren hundert Jahren, aber erst in den letzten dreißig bis fünfzig Jahren sind sie im Kirkpatrick-Sumpf in Maryland zu einem Problem geworden. Als invasive Spezies breiten sie sich aus und dominieren die Landschaft.
In ihrer Videoarbeit tauchen sie in die magisch- realistische Dimension, die der Sumpf und dessen Erscheinungsbild hervorruft, und nutzen dasselbe farbige Wachstumslicht, wie die Lampen, die es den jungen “Phragmites Australis” ermöglichen, im Dunkeln zu wachsen. Wir erkennen auch die architektonischen Interventionen, die in Form von achteckigen Strukturen und würfelförmigen Elementen im Kirkpatrick-Sumpf verwendet werden, um genaue Messungen zu gewährleisten. In den nachgebauten achteckigen Strukturen der Ausstellung messen Eeraerts und Aparicio Ronda mit SERC-Geräten die CO2-Konzentration und die Temperatur der Erde um die im Raum positionierten Pflanzen herum. Sie dienen gleichzeitig als Struktur für die Klanginstallation und liefern den Soundtrack für den Raum.
In ihrer Ausstellung fügen sich düstere, wissenschaftliche Prognosen nahtlos in eine Atmosphäre ein, die mit Legenden, Mythen und Erzählungen in eine Gesamtinstallation zusammenfließt, die den Besucher:innen unter die Haut geht. Die Symbiose zwischen den technisch-wissenschaftlichen Geräten und der Ausstrahlung des gewaltigen Sumpfgebiets wirkt beunruhigend. Wie können wir aus dem Sumpf etwas über zukünftige Strategien zum Überleben in Zeiten des Klimawandels lernen? Das Fazit einer Wissenschaftler:innen ist ebenso ernüchternd wie relativierend: „Es mag nicht unbedingt gut für den Menschen sein, aber die Erde selbst wird weiterbestehen.“
Elise Eeraerts and Roberto Aparicio Ronda
Seit 2012 entwickeln Elise Eeraerts und Roberto Aparicio Ronda eine multidisziplinäre Praxis, die sich vor allem auf die Beziehung zwischen Kunst und Architektur konzentriert. Ihre Projekte finden ihren Ausdruck in natürlichen Umgebungen oder öffentlichen Räumen in Städten, wo Ortsspezifität, Geschichte und materielle Transformationen Gegenstand ihrer Recherche sind. Als primitivstes Material spielt Erde eine zentrale Rolle in ihrer Praxis: von der Erforschung des Bodens und Ausgrabungen bis hin zur Aneignung verschiedener Bodenarten und deren Weiterverarbeitung zu Objekten und räumlichen Installationen. In ihren jüngsten Arbeiten untersuchen Eeraerts und Aparicio Ronda die Rolle von Boden und Landschaft aus klima-wissenschaftlicher Perspektive. Auf eine anregende, oft körperlich-sinnliche Weise konfrontieren sie die aktuellen Konventionen des Anthropozäns mit Ideen und Traditionen, in denen sich Menschen die Natur angeeignet haben und dies auch weiterhin tun. Elise Eeraerts studierte Bildende Kunst an der LUCA School of Arts (Brüssel), am Institut für Raumexperimente, Klasse Olafur Eliasson, UdK (Berlin) und absolvierte ein Praktikum im Studio Carsten Nicolai. Ihre künstlerische Arbeit wurde mit mehreren Stipendien und Preisen ausgezeichnet und international ausgestellt. Roberto Aparicio Ronda studierte Architektur an der E.T.S. Arquitectura (Valladolid) und Bildende Kunst an der Universidad del País Vasco/Euskal Herriko Unibertsitatea (Bilbao). Er arbeitete als Architekt für verschiedene internationale Firmen, darunter das OMA - Office for Metropolitan Architecture, Rotterdam (NL) und Kengo Kengo Kuma and Associates, Tokio (JP).
Jüngst nahmen sie an der IJsselbiënnale (NL) teil und zeigten ihre Arbeiten im Middelheim Museum, Antwerpen (BE), STUK, Leuven (BE), La Casa Encendida, Madrid (ES), Le MAT centre d’art contemporain du Pays d’Ancenis (FR), ENE, Quebec, Kanada, Cityleaks Festival (DE), Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (DE) und Lunds Konsthall, Lund, Schweden.
VERSUMPFUNG (2024 - 2025) untersucht, wie sich verändernde Ökosysteme in der künstlerischen Praxis manifestieren. Neben einer Auswahl neuer und bestehender Werke etablierter und aufstrebender internationaler bildender Künstler sind Künstler verschiedener Disziplinen sowie Ökologen und Aktivisten dazu eingeladen, eine künstlerische Sensibilität und Imagination für eine ökologische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schaffen. Der Kunstverein hat es sich mit diesem Projekt zur Aufgabe gemacht, das Prinzip der Moore und Sümpfe als ökologische Strategie ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Kunstfonds Bonn, dem Hochsauerlandkreis, der Stadt Arnsberg, sowie der LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Kulturprogramms zum Jubiläumsjahr 2025 „1250 Jahre Westfalen“. Schirmherr des Kulturprogramms ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Königstraße 24
59821 Arnsberg