Das Kunstmuseum Ravensburg zeigt erstmals in Deutschland die eindringliche Sound- und Lichtinstallation »The Way Earthly Things Are Going« (Der Lauf der irdischen Dinge) von Emeka Ogboh (*1977, lebt in Berlin), die der nigerianische Künstler 2017 für die documenta 14 in Athen konzipiert hat. Sie entstand im Zuge seiner Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise, im Speziellen mit der griechischen Wirtschaftskrise. Die Mehrkanal-Installation verbindet ein polyphones altgriechisches Klagelied mit Börsendaten der Welt-Aktienindizes, die in Echtzeit auf ein LED-Band übertragen werden. Ogboh stellt die laufenden Berichte der Kapitalmärkte – wie die Reaktion der Börsenkurse auf die Corona-Krise – in Dialog mit dem ergreifenden Gesang über erzwungene Migration und die Suche nach einem besseren Leben. 
Die einzelnen, über den Raum verteilten Stimmen entfalten und verzweigen sich zu einer räumlichen Komposition aus Klang und Licht. Dabei stehen die Stimmen des weiblichen Chors, die von menschlichen Schicksalen berichten, im starken Kontrast zum faktischen Informationsfluss der Kapitalmärkte, der sich unbeeinflusst von den Einzelschicksalen fortsetzt. Ogboh erzeugt einen Erfahrungsraum aus Klang und bewegtem Bild, der über das Zusammenspiel von Migration und globaler Wirtschaft nachdenken lässt.

Der Titel der raumgreifenden Installation stammt von dem bekannten Liedtext "So Much Trouble in the World" von Bob Marley. Das traditionelle Klagelied "Wenn ich vergesse, bin ich glücklich", das die Basis von Ogbohs Arbeit bildet, kommt aus der Region Epirus in Nordgriechenland und wurde hierfür von dem Frauen-A-cappella-Chor »Pleiades« interpretiert. Der Liedtext schildert das Abschied- nehmen einer Mutter, die ihrem Sohn eine Wegzehrung zubereitet und vor dem Ofen sitzend hofft, dass das Brot nicht fertig wird, so dass die Karawane weiterzieht und ihr Sohn bei ihr bleiben wird.

Sowohl Hör- wie auch Geschmackserfahrungen bilden den Ausgangspunkt von Emeka Ogbohs Werken. Einem breiten Publikum wurde Ogboh durch die Klanginstallation »The Song of the Germans« (2015) bekannt, die die deutsche Nationalhymne in den Muttersprachen von in Berlin lebenden Afrikanern erklingen ließ. In jüngsten Installationen arbeitete er mit der traditionellen Igbo Musik aus dem Osten Nigerias, wo er geboren und aufgewachsen ist. An zahlreichen Orten in Deutschland hergestellt und erprobt ist wiederum sein ortsspezifisches dunkles Bier »Sufferhead Original« (seit 2015), das die Geschmacksvorlieben afrikanischer Communitys mit lokaler Brautradition in Deutschland vereint und auf humorvolle Weise das Reinheitsgebot deutscher Braukunst unterläuft. Ogboh untersucht in seinen Soundarbeiten und multimedialen Installationen, wie die sinnliche Wahrnehmung von Klang oder Nahrung unsere kulturelle Identität prägt und eröffnet kritische Fragen rund um den Themenkomplex Migration, Globalisierung und Postkolonialismus.

Seine Werke wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen vorgestellt, u. a. documenta 14, Athen/Kassel (2017), Skulptur Projekte Münster (2017), 56. Biennale Ve- nedig (2015), Dakar Biennale (2014). Einzelausstellungen u. a. im Cleveland Museum of Art (2019), in der Tate Modern, London (2017), Staatliche Kunsthalle Baden-Baden (2017), im Smithsonian National Museum of African Art, Washington DC (2016).

17.10.2020 - 07.02.2021

Emeka Ogboh : The Way Earthly Things Are Going

Kunstmuseum Ravensburg

Burgstraße 9
88212 Ravensburg