Ab März zeigen die Kunstmuseen Krefeld in Haus Esters die erste Einzelausstellung des israelischen Fotografen Sharon Ya’ari in Deutschland. Ya’ari hat für Haus Esters eine Schau in Auseinanderset- zung mit der Atmosphäre und Ideengeschichte des Ortes entwickelt. Die zwischen 1927 und 1930 von Ludwig Mies van der Rohe errichteten Villen Esters und Lange sind Ikonen des Neuen Bauens in Deutschland, Repräsentanten der europäischen Moderne. Ausgangspunkt von Ya’aris fotografischer Spurensuche ist das Erbe der modernistischen Formensprache in Israel, die damit verknüpfte gesell- schaftliche Vision und ihre Konfrontation mit einer konfliktreichen Alltagsrealität.

„Eindringlich stellt Ya’ari Fragen, die uns in der Programmatik der Kunstmuseen Krefeld immer wieder interessieren: Wie zeigt sich das Erbe der Moderne? Welche Bedeutung hat es für künstlerische und gesellschaftliche Perspektiven heute?“, so Direktorin Katia Baudin. Dabei geht es Ya’ari weniger um die Perspektive der Architekturfotografie als vielmehr um Beobachtungen des Beiläufigen, um Relikte des täglichen Lebens, die Verfall und Vergänglichkeit unterworfen sind. Häufig sucht Ya'ari Orte auf, die reich an Geschichte sind und den Kontrast zwischen gebauter Vision und Alltagsleben brisant zutage treten lassen. Der Blick der Kamera entlarvt im scheinbar Trivialen und Zufälligen das Politi- sche, stößt Reflexionen über Zeit, Erinnerung und gesellschaftliche Zustände an. Den Kern der Aus- stellung bildet eine vielteilige Serie aus Fotografien, einem großformatigen Künstlerbuch sowie skulp- turalen Elementen, die Ya’ari einem öffentlichen Platz in der Wüstenstadt Be‘er Scheva im Süden Israels gewidmet hat. Seit Jahren kehrt der Künstler immer wieder an diesen Ort zurück, dokumentiert seine Veränderungen, die Versuche der Wiederbelebung und Nutzung, die Zeichen des Verfalls über einen langen Zeitraum hinweg. Eine urbane Skulptur aus Betonzylindern, die im Zuge der Neugestal- tung des Platzes vor kurzem von der Stadt aufgegeben wurde, reist nach Krefeld, um im Skulpturen- garten von Haus Esters temporär einen neuen Ort zu finden: Ein Störfaktor im modernistischen For- menkleid, ein Monument ohne eindeutige Botschaft, das den Transfer von Formen und Ideen sozusa- gen in umgekehrter Richtung fortsetzt. „Die Utopien der Moderne überlappen sich mit der Geschichte ihrer Brüche“, sagt Kuratorin Magdalena Holzhey, „damit spielt auch der Titel The Romantic Trail and the Concrete House, den Ya’ari touristischen Wegweisern entnommen hat. In ihm spiegelt sich einer- seits die Suche nach einem Sehnsuchtsort, der gleichzeitig ein Klischee sein kann, und andererseits die Konfrontation mit der Realität, in der das konkret Greifbare wie auch der Baustoff der Moderne enthalten sind.“ Ya’ari hat die Ausstellung als Ganzes für Haus Esters entwickelt, indem er durch die unterschiedlich gewählten Techniken und Größen seiner Fotografien einen Dialog mit der Architektur schafft. Die Ausstellung stellt dem ikonischen, zeitentrückten Raum der Villa die zeitgenössische Per- spektive einer fragilen Realität gegenüber.

Sharon Ya'ari (geb. 1966, lebt und arbeitet in Tel Aviv, lehrt an der Bezalel Academy for Art and De- sign in Jerusalem) zählt zu den renommiertesten israelischen Künstlern seiner Generation. Seine Ar- beit zeichnet sich durch eine ebenso präzise wie vielseitige Nutzung des fotografischen Mediums aus, das er als Mittel der kulturellen und politischen Recherche versteht. Er hatte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit, darunter Tel Aviv Museum of Art (IL), National Gallery Museum, Vilni- us (LT), Kunsthaus Baselland, Basel (CH), Drexler University Art Gallery, Philadelphia (US), National Gallery of Modern Art, New Delhi (India), Camera Austria, Graz (A), Israel Museum, Jerusalem (IL) u.v.m. 2018 erhielt er den Emet Prize for Arts, Science and Culture, der in Israel für wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen mit weitreichenden gesellschaftlichen Auswirkungen vergeben wird.

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog (dt./engl.) im Snoeck Verlag in Kooperation mit dem Oldenburger Kunstverein und dem Kunstverein Heilbronn.

08.03.2020 - 21.03.2021

Sharon Ya'ari . The Romantic Trail and the Concrete House

Kunstmuseen Krefeld - Haus Lange Haus Esters

Wilhelmshofallee 91–97
47800 Krefeld