Der 100. Geburtstag des Leipziger Malers und Grafikers Bernhard Heisig (1925–2011) ist für das MdbK Anlass, sein Schaffen in einer Ausstellung zu würdigen. Bereits 1973, 1985 und 2005 hatte das Museum dem Künstler umfangreiche Präsentationen gewidmet. Die aktuelle Kabinettausstellung konzentriert sich auf den eigenen umfangreichen Bestand an Gemälden und Druckgrafiken, der 2009 durch Dauerleihgaben der Peter und Irene Ludwig Stiftung eine entscheidende Bereicherung erfahren hat. Damit vermittelt die Ausstellung sowohl einen Eindruck von der Sammlungstätigkeit des Museums im Hinblick auf die Kunst in Leipzig nach 1945 als auch auf die Situation des Kunsthandels in der DDR sowie den deutsch-deutschen Kulturaustausch vor 1989, den Peter Ludwig als Sammler maßgeblich geprägt hat und der in dem bekannten Gemälde Atelierbesuch (Bildnis Helmut Schmidt) aus dem Jahr 1986 exemplarisch zum Ausdruck kommt. „Geburtstagsstilleben mit Ikarus“ bietet einen repräsentativen Einblick in Heisigs Bildwelt, die Vielfalt seiner Themen und Ausdrucksformen vom Frühwerk bis in die späte Schaffensphase. Dabei wird auch seine Bedeutung für die Entwicklung der bildenden Kunst in der DDR zwischen 1949 und 1989 sichtbar. Fotografien von Reiner Heim (1940–2017), Helfried Strauß (*1943) und Bernd Wittwer (1940–2011) zeigen Heisig im Atelier, aber auch in seiner Funktion als Rektor und Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB).

Bernhard Heisig kam 1948 aus seiner Geburtsstadt Breslau (Wrocław) nach Leipzig, wo er die nächsten 44 Jahre lebte und arbeitete. Ein Jahr später begann er sein Studium an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe (der heutigen HGB), an der er ab 1954 selbst unterrichtete. 1961 wurde Heisig zum Rektor und Professor der Hochschule berufen und richtete in der Folgezeit eine bedeutende Malereiklasse ein. Nach einem zwischenzeitlichen Bruch kehrte er 1976 an die HGB zurück und stand ihr bis 1987 erneut als Rektor vor. Als er 2011 starb, hinterließ Bernhard Heisig nicht nur ein facettenreiches, wirkmächtiges Werk, sondern auch eine große Schüler*innenschaft.

Das Geburtstagsstilleben mit Ikarus (1985) bestimmt die Atmosphäre des Eingangsraumes zur Ausstellung, der die Person des Künstlers in den Mittelpunkt stellt. Die frühen druckgrafischen Selbstbildnisse, die als „Köpfe“ bekannt wurden, zeichnen sich durch einen gestisch-nervösen Zeichenstil und eine auffallende Tendenz zum Psychogrammhaften aus. Sie entstanden zu einer Zeit, als sich die Lebensumstände des Künstlers durch die Berufung an die HGB und zum Vorsitzenden des Verbandes Bildender Künstler (VBKD, Bezirksverband Leipzig) sowie die heftige öffentliche Kritik an seinen frühen Arbeiten zur Pariser Kommune grundlegend geänderten hatten. Heisigs Rang als Porträtist belegen mehrere Bildnisse bekannter Persönlichkeiten, darunter das einfühlsame Porträt des Gewandhauskapellmeisters Václav Neumann (1973) und das des Freundes und Sammlers Peter Ludwig (1984).

Der anschließende Raum rückt Bernhard Heisig als Maler historischer Bildstoffe in den Mittelpunkt, denen er sich zu Beginn der 1950er Jahre zuwandte. Das Gemälde Schwierigkeiten bei der Suche nach Wahrheit (1973) ist ein charakteristisches Werk, in dem der Künstler in der collageartigen Zusammenstellung von Bildzeichen und Symbolen das Geschehen hinterfragt. Dazu nutzt Heisig im kollektiven Gedächtnis fest verankerte Figuren und Begriffe, die häufig der antiken Mythologie oder dem Christentum entlehnt sind, wie etwa Ikarus, Christus oder der Turm zu Babel. Wie stark das Verknüpfen von Vergangenheit und Gegenwart alle Bereiche von Heisigs künstlerischem Schaffen durchdringt, zeigen die Einbeziehung einer künstlichen Ikarus-Figur in das Geburtstagsstilleben oder des gekreuzigten Christus in den Atelierbesuch und in mehrere grafische Blätter. Es sind immer wieder auch eindringliche Selbstbefragungen, denen sich Bernhard Heisig in seinen Werken bewusst aussetzt.

Im dritten Ausstellungsraum liegt der Akzent auf dem Grafiker und Landschaftsmaler Bernhard Heisig. Die von ihm lebenslang bevorzugte Technik der Lithografie konnte er in Zusammenarbeit mit den versierten Druckern der HGB, vor allem Horst Arloth (1925–2018), zur Meisterschaft entwickeln. Sein druckgrafisches Hauptwerk ist der Faschistische Alptraum (1966 und 1976), der in einer Auswahl zu sehen ist. Hinzu kommen Blätter der Mappe Figuren und Szenen, die 2005 anlässlich der Ausstellung zu Bernhard Heisigs 80. Geburtstag im MdbK entstand. Diese Blätter verweisen einerseits in ihrem thematischen Bezug auf den herausragenden Buchillustrator Bernhard Heisig, der unter anderem Werke von Johann Wolfgang von Goethe, Theodor Fontane, Heinrich Mann und Anna Seghers illustriert hat. Andererseits lenken sie den Blick auf seine intensive Beschäftigung mit Friedrich dem Großen und Preußen, der Pariser Kommune, dem deutschen Faschismus oder der Situation in Chile 1973. Vital gemalte, farbintensive und stimmungsvolle Landschaften und Stillleben runden den Überblick über das Gesamtwerk ab.

Durch die Querverbindungen zwischen den Ausstellungsräumen werden die Besonderheiten des Schaffensprozesses von Bernhard Heisig erfahrbar: Er umkreiste die ihn bewegenden Bildstoffe häufig parallel in Malerei, Grafik und Zeichnung und verband sie zu einem vielfältigen und vielgestaltigen Beziehungsgefüge. 

Die Ausstellung wird gefördert durch die Peter und Irene Ludwig Stiftung. Das MdbK ist, seit der rund 150 Werke umfassende Dauerleihgabe Kunst der DDR 2009, Teil des „Ludwig-Netzwerkes“, das 30 öffentliche Institutionen auf 3 Kontinenten und in 7 Ländern umfasst. 

20.03. - 09.06.2025

Bernhard Heisig: Geburtstagsstilleben mit Ikarus

Museum der bildenden Künste Leipzig

Katharinenstraße 10
04109 Leipzig