Die Ausstellung im Mönchehaus Museum ist die erste Ausstellung der Film- und Videokünstlerin Yalda Afsah (geb. 1983 in Berlin) in Niedersachsen. Ihr Leitthema ist die komplexe Beziehung zwischen Mensch und Tier. In ihren Arbeiten untersucht sie verschiedene Formen von Domestizierung, wobei sie ihren Fokus auf die verschwommenen Grenzen zwischen Pflege, Zuwendung und Intimität auf der einen sowie Macht, Unterwerfung und Kontrolle auf der anderen Seite richtet. Indem die Künstlerin immer wieder Momente der Irritation in ihren Filmen einbaut, bleibt das Verhältnis zwischen Mensch und Tier stets ambivalent. Konfrontiert mit den gegenseitigen Abhängigkeiten und Dynamiken menschlicher und nichtmenschlicher Wesen sind die Betrachter_innen aufgerufen, über alternative Formen einer artenübergreifenden Koexistenz nachzudenken.
Die Goslarer Ausstellung zeigt drei wegweisende Filme über verschiedene Formen der Domestizierung: die Taubenflugkunst (SSRC, 2022), die Pferdedressur (Curro, 2023) und den Stierkampf (Tourneur, 2018).
SSRC, 2022
Der Film verfolgt die Taubendressur in einem sozialen Brennpunkt von Los Angeles. Dort dressieren meist junge Männer aus einer vorwiegend schwarzen Community eine besondere Taubenart mit der Eigenschaft, wiederholt Rückwärtsüberschläge in freiem Flug, das sog. „Purzeln“, zu vollziehen und danach wie gewohnt weiter zu fliegen. Den Sieg trägt jenes Team davon, dessen Tiere am häufigsten gleichzeitig rückwärts rollen.
Nachträglich bearbeitete Tonspuren verleihen allen Filmen oft eine surreale, entfremdende Wirkung. Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.
Curro, 2023
Wie SSRC wirft auch Curro Fragen nach Abhängigkeit und Entfremdung von Natur in artenübergreifenden Beziehungen und gesellschaftlich tradierten Vorstellungen von Männlichkeit auf. Im Mittelpunkt steht der galicische Brauch „Rapas das Bestas“. Dabei werden Wildpferde von jungen Männern aus den Bergen ins Tal in eine Arena (Curro) getrieben, um dort geschoren und markiert zu werden. „Die zunehmend angespannte Dynamik der Begegnung zwischen Mensch und Tier in der Arena wird am Ende durch eine unerwartete Position der Intimität zum Stillstand gebracht: Im Moment „nach“ der Zähmung stehen zwei der Männer am Kopf des Tieres, als verharrten sie in einer engen Umarmung, um es ruhig zu halten.“ (Linnéa Bake)
Tourneur, 2018
Die Arbeit Tourneur ist über einen Zeitraum von zwei Jahren in Südfrankreich entstanden. Der Film zeigt eine perfide Form des Stierkampfs: Junge Männer stehen in einer Arena, in die permanent Schaum eingelassen wird, sodass sie das Kommen und Gehen des Stiers nicht überblicken können. Lauernd verbleiben sie in einer steten Angriffsposition und provozieren den Stier zusätzlich mit Lockrufen. Ihre adrenalingeladenen Gesten von demonstrativem Mut erscheinen einerseits theatralisch, aber auch komisch. In der undurchsichtigen Schaummasse verwandelt sich die Begegnung zwischen Mensch und Tier in einen surrealen und performativen Akt – als wäre sie der Realität entglitten.