Afghanistan wird nicht nur von Armut und Naturkatastrophen beherrscht, sondern auch von Terror, Willkürherrschaft, massiver Korruption, enormen Freiheitseinschränkungen und wieder vermehrten Anschlägen. Diese bedrohliche Lage erschwert nicht nur das alltägliche Leben der Menschen, das von Gewalt, der permanenten Sorge um nahestehende Menschen, Angst, Flucht aber auch Widerstand geprägt ist, sondern bringt das künstlerische Schaffen nahezu zum Erliegen. Obendrein haben die Taliban die künstlerische Darstellung von Lebewesen, besonders Menschen, komplett untersagt. Kunstwerke wurden und werden aus Sicherheitsgründen teils von den Künstler:innen selbst zerstört, teils fielen sie Plünderungen und gezielter Zerstörung bei Hausdurchsuchungen zum Opfer oder mussten bei der Flucht zurückgelassen werden. Viele Arbeiten existieren jedoch noch im Verborgenen, andere nur noch in der Dokumentation. Gleichzeitig leisten auch immer noch Künstler:innen Widerstand, in dem sie ihrer Meinung durch ihr Schaffen Ausdruck verleihen – entgegen aller Hindernisse und Verbote. 

Um der Kunst in Afghanistan wieder zur Sichtbarkeit zu verhelfen, werden ab Juni 2023 in fortlaufenden, digitalen Einzelausstellungen unter dem Titel Hidden Statement, die aus Sicherheitsgründen anonymisierten künstlerischen Positionen der weltweiten Öffentlichkeit präsentiert und erfahren so nach zwei Jahren endlich wieder künstlerische Sichtbarkeit und Anerkennung sowie die Möglichkeit erneut am internationalen Kunstdiskurs teilzunehmen.

In Anlehnung an die Idee des Central Collecting Point Wiesbaden als Drehscheibe für den Wiederaufbau der Museumslandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wird ein digitales Archiv afghanischer Kunst aufgebaut, um weitere unersetzliche Verluste afghanischer Kultur zu verhindern. 

Der Nassauische Kunstverein Wiesbaden kooperiert für die fortlaufenden, digitalen Ausstellungen Hidden Statement mit der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo, dem Goethe Institut Rom, der Hochschule für Gestaltung Offenbach (Ulrike Grünewald, Yama Rahimi), Walter’s Cube New York und dem Institut für Raumkonzepte der weißensee kunsthochschule berlin.

Für die digitalen Ausstellungen Hidden Statement stellt der Nassauische Kunstverein Wiesbaden seine von Walter’s Cube digitalisierte Belle Etage zur Verfügung. Mehr als 150 Künstler:innen in Afghanistan sollen hier die Möglichkeit einer digitalen Einzelausstellung erhalten, um ihre Kunstwerke vor der gänzlichen Auslöschung zu bewahren. Aus Sicherheitsgründen werden die Namen der Künstler:innen solange nicht bekannt gegeben, bis sie sich in Sicherheit befinden. Die Ausstellungen werden dabei von verschiedenen Künstler:innen, Kurator:innen zusammengestellt und im regelmäßigen Rhythmus auf der Website des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden veröffentlicht.

Das Goethe Institut Rom und die Deutsche Akademie Rom Villa Massimo organisieren am 30. Mai 2023 gemeinsam eine Gesprächsrunde mit afghanischen, italienischen und deutschen Teilnehmern, im Rahmen derer die aktuelle Situation in Afghanistan aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Zeitgenössische Kunstproduktion ist in Afghanistan seit vielen Jahren ein schwieriges Unterfangen gewesen. Dank der gelungenen Evakuierung von Rahraw Omarzad (Leiter des CCAA - Center for Contemporary Art Afghanistan) und seiner vierköpfigen Familie nach Rom, die vor allem dem unermüdlichen Einsatz von Carolyn Christov-Barkagiev zu verdanken ist, hat man in Rom in 2021 ein wenig von der afghanischen Szene hören dürfen. Die Villa Massimo verfolgt mit großem Interesse die Entwicklung des kürzlich in Frankfurt auf Anstoß von Omarzad gegründeten CCAA in Exile und ist bemüht, die Verbindung zwischen Afghanistan, Deutschland und Italien aufrecht zu erhalten. Dass Hidden Statement mit einem Event am Goethe Institut in Rom eröffnet wird, ist ein wichtiger Schritt im Rahmen dieses Bemühens, die afghanische Kunstszene international vernetzt zu halten. Das Goethe-Institut plant, diese Kooperation auch in Deutschland im Rahmen des Afghanistan-Schwerpunkts seines Projekts „Goethe-Institut im Exil“ im Herbst 2023 fortzusetzen.

Bereits mit ihrer Kampagne ›To Be in a Time of War‹ auf Initiative von Yama Rahmi hat die Hochschule für Gestaltung Offenbach gemeinschaftlich ihreWahrnehmung und Anteilnahme für die Situation der Menschen und insbesondere der Kunststudierenden in Afghanistan zum Ausdruck gebracht. Der Spendenaufruf ermöglichte sieben Kunststudierenden aus Kabul den Weg nach Deutschland. In enger Kooperation mit dem Institut für raumstrategien der weißensee kunsthochschule berlin werden in einem Workshop Konzepte der Präsentation entwickelt. Walter‘s Cube New York unterstützt das humanitäre Projekt mit der Durchführung von Workshops zum Erstellen digitaler Ausstellungen innerhalb der Plattform und stellt den technischen Support zur Verfügung.

Walter's Cube ist eine digitale Plattform, die den Zugang zu Kunst und Ausstellungen demokratisiert, indem sie die physischen und zeitlichen Grenzen zwischen Kunsträumen und ihrem potenziellen Publikum aufhebt. Walter's Cube scannt institutionelle Räume und erstellt ihren digitalen Zwilling, um sie rund um die Uhr von überall auf der Welt zugänglich zu machen. Es wurden bereits über 1.000 Ausstellungen digitalisiert und damit Künstler:innen und Kurator:innen neue Möglichkeiten eröffnet, Ausstellungen in einem digitalen Format zu realisieren, indem sie bestehende Ausstellungen archivieren oder neue Ausstellungen kreieren und veröffentlichen, die im wirklichen Leben nicht existieren. Voller Stolz ist Walter’s Cube ein Teil von HIDDEN STATEMENT, einem Projekt, das die katastrophale humanitäre Lage in Afghanistan beleuchtet. In Solidarität mit dem afghanischen Volk werden unterrepräsentierten und zum Schweigen gebrachten afghanischen Künstler:innen eine Plattform geboten, ihre Arbeiten im digitalen Zwillingsraum des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden zu präsentieren und die Bedeutung der Kunst für das Zusammenleben von Menschen durch die Überwindung kultureller und gesellschaftlicher Barrieren zu ermöglichen.

Aid-A Aid for Artists in Exile e.V. hilft Künstler:innen aus aller Welt, die aufgrund ihres persönlichen Eintretens für Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Demokratie in ihren jeweiligen Heimatländern verfolgt und an ihrem künstlerischen Schaffen in den Bereichen Theater, bildende Kunst, Literatur, Film und Musik gehindert werden. Häufig sind die Künstler:innen gezwungen, ihr Land zu verlassen und sich im Exil eine neue Existenz aufzubauen.

Das Projekt Hidden Statement wird ermöglicht durch die großzügige Förderung des Kunstsommers des Kulturamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden –FLUXUS SEX TIES!

Hier gelangen Sie zur Ausstellung: www.kunstverein-wiesbaden.de

Landing Pageonlineviewingroom.com/hiddenstatement

30.05. - 31.12.2023

Hidden Statement. Art in Afganistan

Nassauischer Kunstverein Wiesbaden

Wilhelmstraße 15
65185 Wiesbaden