»Diese Zeit war das Goldene Zeitalter der Kunst, und die goldenen Apfel fielen den Künstlern von selbst in den Mund.«
Arnold Houbraken, 1718-21

In der Kunstkammer Rau treten in diesem Jahr zwei hochrangige internationale Sammlungen - die Kremer Collection und die seit vielen Jahren dem Arp Museum anvertraute Sammlung Rau für UNICEF - in einen lebendigen Dialog. Wie Gustav Rau begeistert George und lione Kremer die Erzählfreude der niederländischen Kunst. Das Who is Who der niederländischen Barockmalerei von Rembrandt van Rijn, Hendrick ter Brugghen, Frans Hals, Judith Leyster bis zu Gerrit Dou versammelt sich in Rolandseck: in charaktervollen Portraits, stimmungsvollen Landschaften, religiösen Altarbildern, humorvollen Alltagsszenen und meisterhaften Stillleben.

Fasziniert von der Malerei dieser Zeit, erwarb das Ehepaar llone und George Kremer 1995 ein frühes Meisterwerk Rembrandts, das die beiden unter einer dicken Schicht Patina erkannten, noch bevor es von den führenden Experten tatsächlich dem Meister zugeschrieben wurde. Ebenso begeistert kaufte Gustav Rau bereits 1958 das Bildnis einer Köchin von Gerrit Dou. Dies war der Start für zwei großartige Sammlungen niederländischer Kunst. Alle drei Sammler eint ihre Leidenschaft, die Inhalte und hintergründigen Botschaften der oft vielschichtigen Gemälde enträtseln zu wollen.

Die Ausstellung gliedert sich in drei Bereiche. Das Kapitel »Von Künstlern und Sammlern erzählt einführend von den wichtigsten Künstlern des Goldenen Zeitalters. Hier bieten sich intime Einblicke in Rembrandts Atelier, man lernt die präzise Maltechnik eines Gerrit Dou aus der Nähe kennen oder ist exklusiver Gast in der Kunstkammer eines Sammlerpaares. Der wirtschaftliche Aufschwung beförderte die Nachfrage nach Kunst, was in zahlreichen Arbeitsaufträgen für niederländische Maler mündete.

Kauflust und Sammelleidenschaft waren derart ausgeprägt, dass im Jahr 1650 auf jeden Tausendsten Amsterdamer ein Maler kam, mehr als eine Millionen Bilder entstanden, von denen heute noch rund 200.000 weltweit in Museen erhalten sind. Das Kunstfieber - nicht nur das Tulpenfieber - packte weite Teile der niederländischen Bevölkerung. Und Kunstbesitz war nicht nur ein Privileg der oberen Zehntausend. Vom Schuster bis zum Handelsherren identifizierten sich die Niederländer mit ihren Künstlern.

Die neu erkämpften Freiheiten der Handelsrepublik Holland feierten viele Sammler, indem sie als Auftraggeber die Schönheit der heimischen Natur ins Bild setzen ließen. Die Landschaftsmalerei entwickelte sich zu einer beliebten Gattung, der sich der zweite Abschnitt Über die Schönheit der Nature widmet. In Zeiten voranschreitender Verstädterung gewann das Landleben an Attraktivität, besonders im dichtbesiedelten Holland, in dem die Hälfte der Bevölkerung in der Stadt lebte.

Atmosphärisch dicht hielten Jan van Goyen und Salomon van Ruysdael die Dünen und nebligen Flusstäler Hollands fest. In den Stillleben des Goldenen Zeitalters entdeckt man gleichsam unter der Lupe die Vielfalt der Natur im Taschenformat: Der Blick tastet über frisch gepflückte Spätsommer-Blumen bei Dirck de Braij oder über die soeben verlassene Tischlandschaft von Judith Leyster - das einzige von dieser Künstlerin erhaltene Werk dieser Gattung

"Es ist nicht genug, dass ein Bild schön ist. Es muss bewegen, so dass es Macht über den Betrachter gewinnt.", forderte der Maler und Kunstkritiker Samuel van Hoogstraten, ein Schüler Rembrandts im Jahr 1678. Das Kapitel "Die Macht der Geschichte. Historien aus Alltag, Bibel und Antike" thematisiert den Stellenwert der Historienmalerei im 17. Jahrhundert. Geschichten aus der Bibel, aus der Mythologie und dem Alltag wurden in breiten Teilen der holländischen Bevölkerung sehr geschätzt. Es galt als höchste Kunst, wenn sie es verstanden, das Publikum emotional zu bewegen und zu fesseln. Wer sie zu enträtseln verstand, dem offenbarten die scheinbaren Alltagszenen alttestamentarische Inhalte oder moralische Botschaften. Besonders eindrücklich sind die kontrastreichen Werke der Utrechter Caravaggisten, von Gerrit van Honthorst, Dirk van Baburen oder Hendrick ter Brugghen. Auf Nahsicht angelegte, große Formate ermöglichten ein Eintauchen ins Bild. Oft wendete sich sogar eine der Bildfiguren direkt an die Betrachter und lud wie in ter Brugghens Tricktrackspieler dazu ein, einen freigewordenen Platz am Spieltisch zu besetzen. Andere wie Gerrit van Honthorsts Alte Frau prüft eine Münze vor einer Laterne enthüllen nur allzu Menschliches. Oft illustrieren Bilder wie diese menschliche Laster - wie den Geiz - oder die fünf Sinne und verbinden dies mit einem humorvollen Wortspiel.

"Goldene Zeiten - das klingt wie ein Märchen. Ist es vielleicht auch - zumindest aus kunsthistorischer Sicht und sicherlich aus dem Blickwinkel der holländischen Künstler des 17. Jahrhunderts." bemerkt Prof. Dr. Jürgen Hardeck, Kulturstaatssekretär im Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz und Vorstandsvorsitzender der Landes-Stiftung Arp Museum Bahnhof Rolandseck. "Aber war dem auch so? Waren die Zeiten so „golden"? Ganz und gar nicht. Denn als Rembrandt, Baburen und ter Brugghen ihre Meisterwerke schufen, befand sich das Land zeitgleich in einem 80 Jahre währenden Unabhängigkeitskrieg gegen das spanisch-habsburgische Großreich. Der Kampf um die Freiheit und um bürgerliche Rechte erschütterte den Norden und trieb große Flüchtlingsströme mit zehntausenden von Menschen aus dem heutigen Belgien, den südlichen Niederlanden, nach Holland. Wie hat man diese Krise bewältigt? Man hat sie als Chance gesehen. Was bis heute die Niederlande und ihre Kunst auszeichnet, ist ihre geistige Beweglichkeit, die Neugier für alles, was hinter dem Horizont liegt."

"Die vielfach weitgereisten und gut ausgebildeten Künstler sowie ihre Auftraggeber konnten im sogenannten »Goldenen Zeitalter« ihren umfassenden Kosmos von Bildung, Erfahrung und Weltgewandtheit ins Bild setzen und sich von einem lange durch Kirche und Adel vorgegebenen Motivkanon emanzipieren. In regem Austausch mit der italienischen Kunst bildete sich ein international bedeutsamer Stil, der aus einer ersten Phase der Globalisierung erwuchs und geprägt war durch eine große Offenheit und Wertschätzung von Kunst und Kultur.", ergänzt Dr. Julia Wallner, Direktorin des Arp Museums Bahnhof Rolandseck.

"Die Stärke von Kunst ist, dass sie zeitlose Wahrheiten festhält: Armut und Würde, Verzweiflung und Mut, Ohnmacht und Hilfsbereitschaft angesichts der Ungerechtigkeit und der Katastrophen dieser Welt.

Gerrit Dous ,Die Köchin' - Gustav Raus erster Sammlungsankauf - erinnert uns daran, dass wir unsere Fenster offenhalten sollen. Es braucht nicht viel, um zu helfen und jeder, dem wir helfen, hilft uns als Gemeinschaft. Mögen die Bilder dieser Ausstellung auch zu uns über die Zeiten hinweg sprechen. Sie erzählen vom Leben, vom Leiden, von kleinen Freuden, von allem, was uns zusammenschweißt.", fügt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland hinzu.

Auf viele von uns wirken die niederländischen Gemälde der Barockzeit zunächst rätselhaft. Aber wenn wir uns intuitiv auf die junge Bäuerin von Everdingen oder die Köchin von Dou einlassen, spüren wir, dass unter ihren altertümlichen Kostümen die weite Welt menschlicher Gefühle und Leidenschaften offen vor uns liegt: ungeschminkt, klar und sehr unterhaltsam. Das ist das große Können der holländischen Malerei. Hierzu erläutert Dr. Susanne Blöcker, Kuratorin der Kunstkammer Rau: »Die holländische Malerei ist vielschichtiger als wir denken. Unter den scheinbaren Alltagsszenen blitzen oft alttestamentarische Inhalte auf, die in dritter Instanz noch ein Sprichwort oder die fünf Sinne illustrieren. Es ist eine Fülle spannender Geschichten, die nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden.«

"Um die Schönheit der Kunst des Goldenen Zeitalters zu vermitteln, möchten wir unsere Sammlung mit der Öffentlichkeit teilen.", betont der Sammler George Kremer. ›Die Sammlung Kremer besteht heute aus 93 Werken der niederländischen und flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts, von denen 34 Werke hier vertreten sind. Einige sehr aktuelle Erwerbungen aus dem Jahr 2022 werden hier zum ersten Mal gezeigt: Ich erwähne das sehr seltene . Stilleben mit einem Blumenkorb' von Dick de Bray, den ,lachenden Demokrit' von Dirk van Baburen und Cäsar van Everdingens Junge Bäuerin mit schwarzem Hut an einem Zaun'.«

The Kremer Museum | Virtual-Reality Museum
Ergänzt wird die Ausstellung durch das Kremer Museum - das erste Virtual-Reality Museum weltweit. Das vom niederländischen Architekten Johan van Lierop entworfene und von der Agentur Moyosa Media digital verwirklichte Museum, bietet seit 2017 die Möglichkeit, 74 Werke der Sammlung virtuell zu erleben. Rund 3.000-mal wurde jedes Werk fotografiert, um mittels Photogrammmetrie als hochauflösendes 3-D Modell im virtuellen Raum erfahrbar zu werden. Von der Oberflächenbeschaffenheit, über die Farbpalette bis hin zu Provenienzhinweisen auf der Rückseite eines Werks lässt sich vieles entdecken.

Das Begleitprogramm der Ausstellung beginnt am Eröffnungstag mit einer Exklusivführung des Sammlerpaars George und Ilone Kremer, in der Sie aus erster Hand mehr über die Begeisterung der beiden für das Goldene Zeitalter sowie ihre Liebe zur Kunst erfahren können.

Ein Mediaguide reichert den Besuch der Ausstellung in rund 20 Kapiteln mit kurzweiligen und aufschlussreichen Hintergrundinformationen zu Künstler*innen, Werken und Sammler*innen an. Über das WLAN im Haus ist der kostenpflichtige Guide für jedes Smartphone verfügbar oder es können vorbereitete Geräte an der Garderobe entliehen werden.

Neben Gruppenführungen und öffentlichen Führungen können Sie sich bei einer Kostümführung in zeitgemäßer Gewandung durch die Ausstellung bggleiten lassen. Im imposanten Barock-Kleid wird eine Kunsthistorikerin Sie in das Goldene Zeitalter der Holländischen Malerei entführen. Weitere Möglichkeiten in diese Epoche einzutauchen, bieten sich im Arp Labor, in den Räumen des historischen Bahnhofs. Vor der Kulisse einer Malerwerkstatt des 17. Jahrhunderts können Sie in die Rolle eines*r Barock-Künstlers* in schlüpfen und ein Selfie machen.

Ein Gewinnspiel auf den Social-Media-Kanälen des Arp Museums spornt dazu an, sich auch zu Hause mit eigenen Mitteln wie in einem barocken Kunstwerk der Ausstellung zu inszenieren. Als Gewinne erwarten Sie u. a. Ausstellungskataloge, Freikarten sowie die Teilnahme an einer Kuratorinnenführung.

Im Arp Labor können Sie regelmäßig selbst kreativ werden. Hier finden buchbare und offene Workshops für große und kleine Kunstprofis und -laien speziell zu Themen und Techniken der Ausstellung statt. So können Sie es den niederländischen Maler*innen gleichtun, sich von unserem heimischen Rhein-Panorama inspirieren lassen, und sich in einem Künstlerkurs der Landschaftsmalerei widmen.

Katalog zur Ausstellung
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher Sprache (Hardcover, 128 Seiten, 35 Euro), der von Susanne Blöcker und Julia Wallner herausgegeben wird. Er enthält Vorworte von George und llone Kremer und Christian Schneider sowie eine Einführung von Julia Wallner; des weiteren Texte von Martin Bijl, Susanne Blöcker, Quentin Buvelot, Wayne Frantis, Gisela Götz , Anna Heldmann, Wouter Kloek, Helga Kuhn, Peter van der Ploeg, Hans-Joachim Raupp, Epco Runia, Christian Tico Seifert, Claudia Seiffert, Wolfger Stumpfe, Ariane van Suchtelen, Eddy Schavemaker und Lea van der Vinde.

Kunstwerke der Ausstellung
34 Werke der Kremer Collection
16 Werke der Sammlung Rau für UNICEF

Vertretene Künstler*innen in der Ausstellung:
Willem van Aelst, Dirck van Baburen, Abraham Bloemaert, Ferdinand Bol, Dirck de Braij, Bartholomäus Breenbergh, Hendrick ter Brugghen, Adriaen Coorte, Aelbert Jacobsz. Cuyp, Benjamin Gerritsz. Cuyp, Gerrit Dou, Caesar Boetius van Everdingen, Govaert Flinck, Jan van Goyen, Frans Hals, Cornelis de Heem, Jan Davidsz. de Heem, Melchior d'Hondecoeter, Gerrit van Honthorst, Abraham Janssens, Pieter Lastman, Judith Leyster, Jan Lievens, Jacob van Loo, Jan Miense Molenaer, Paulus Moreeise, Frans Post, Rembrandt Harmensz, van Rijn, Salomon van Ruysdael, Jan Siberechts, Matthias Stom, Michiel Sweerts, David Teniers II., Willem van de Velde II, Jan Baptist Weenix, Peter Wtewael