Anlässlich seines 80. Geburtstages am morgigen 27. Januar 2023 schenkt der Freiburger Stifter Prof. Dr. Thomas Würtenberger dem Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin den dritten und letzten Teil seiner über 3.000 Medaillen und Münzen umfassenden Sammlung zu „Ius in nummis“. Ab dem 26. Mai 2023 findet eine große Sonderausstellung der Sammlung im Bode-Museum statt.

Die lateinische Vokabel „Ius“ wird je nach Zusammenhang mit Recht, Gesetz, Gericht, aber auch mit Anspruch, Berechtigung, Vorrecht, Privileg, Gewalt und Macht übersetzt. In Bezug auf den Sammlungstitel „Ius in nummis“ sind Begriffe wie Verfassung, Recht, Gerechtigkeit und Rechtskultur gemeint – es geht um die Vermittlung dieser Themen in den Gattungen Medaille und (Gedenk)münze. „Sammelwürdig war alles, was im internationalen, europäischen, nationalen und lokalen Bereich einen Bezug zu Recht, Verfassung und Gerechtigkeit hat“, so Sammler Thomas Würtenberger, der selbst lange als Verfassungsrechtler gewirkt hat.

Die Wurzeln der Thomas Würtenberger-Sammlung reichen bis in die späten 1960er-Jahre zurück. Damals begann Würtenbergers gleichnamiger Vater, der in Freiburg im Breisgau lehrende Strafrechtslehrer, Rechtsphilosoph und Kriminologe Prof. Dr. Thomas Würtenberger (1907–1989), Medaillen mit rechtshistorischen Bezügen zu erwerben. Die frühesten Exemplare der Sammlung stammen aus der Renaissance und dem 15. Jahrhundert, die gegenwärtig jüngste Kunstmedaille entstand im Jahr 2022.

Die Sammlung konzentriert sich räumlich auf Westeuropa und den transatlantischen Raum Amerikas, wurde in den letzten Jahren aber auch durch globale Perspektiven ergänzt. Die Sammlung ist in verschiedene Bereiche gegliedert: Medaillen, die allgemein Jurist*innen und deren spezifischen Arbeitsstätten oder die Rechtssymbolik zum Inhalt haben. Darüber hinaus geht es um ganz verschiedene Formen von Rechtskultur, etwa um Verfassung und Verfassungsgebung, Grundrechte, Parlamentarismus, Völkerrecht und internationale Zusammenarbeit, aber auch um Recht und Revolution, wobei hier die Französische Revolution von 1789 als Ausgangspunkt diente.

Die Medaille ist ein Denkmal in handlichem Format. Die Würtenbergers interessierte die Frage, welche Darstellungsformen gewählt wurden, um die Rechtskultur einer Gesellschaft zu vermitteln. Medaillen können exklusive Gaben für eine juristische Elite sein. Als serielle Objekte sind sie aber häufiger kunsthandwerkliche Zeugnisse für die Bevölkerung. Im Münzkabinett hat die Familie einen Partner gefunden, der die objektkundliche Expertise einbringt und nach den mit den Artefakten verbundenen Menschen fragt: den Auftraggeber*innen mit ihren Absichten, den Künstler*innen und Hersteller*innen, dem beabsichtigen Nutzer*innenkreis und der Weiter- und Nachverwendung. Sammler*innen wie Münzkabinett eint die Überzeugung, dass Münzen und Medaillen mit ihren Text- und Bildbotschaften zur Bewusstseins- und Kulturprägung beitragen.

Die seit 2020 in bislang zwei Partien initiierte Schenkung der insgesamt über 3.000 Objekte umfassenden Sammlung Würtenberger an das Münzkabinett erfolgte in der Absicht, sie der Forschung zugänglich zu machen. Hierfür wird sie im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts erfasst, mit numismatischen Beschreibungen versehen und mit Normdaten qualifiziert, nach und nach online veröffentlicht: ikmk.smb.museum.

Die rechtsikonographische Forschung kann mit der fortschreitenden digitalen Veröffentlichung der Sammlung auf einen international einmaligen Fundus von Medaillen zugreifen, die die Rechtskultur repräsentieren. Mit dem Konzept der „longue durée“ der französischen Annales-Schule lassen sich Entwicklungen der Rechtskultur der westlichen Welt erkennen. Diese wird hier anhand der Primärquelle Medaille bis zum Entstehen des modernen Staates nachverfolgt. Zur Rechtskultur gehört die JustitiaSymbolik. Ihr ist seit der Antike und länderübergreifend eine Vielzahl von Medaillen und Münzen gewidmet, die im Dienste der Vergewisserung von Gerechtigkeit stehen, aber auch Position im Kampf um gerechtes Recht beziehen.

Die besondere Form einer Inszenierung von Recht und Gerechtigkeit durch Medaillen kann dazu genutzt werden, eine sich in einem langen Zeitraum entwickelnde besondere Rechtsmentalität in der westlichen Welt auszumachen. Mit Blick auf den „iconic turn“ lässt sich der Fundus von Rechts- und Gerechtigkeitsmedaillen darauf sichten, inwiefern die Medaillenbilder in Verbindung mit ihren kurzen Texten auf das Rechtsbewusstsein einwirken und in Bildern transportieren, was für gerecht und rechtlich richtig gehalten werden konnte und sollte. In der Rechts- und Verfassungsgeschichte können Rechts- und Gerechtigkeitsmedaillen den Zugriff auf das Rechtsverständnis vergangener Epochen und auf eine bislang zu wenig beachtete Form der Rechtskommunikation ermöglichen. Rechtsund Gerechtigkeitsmedaillen sind nicht nur Top-down das serielle Produkt staatlicher Inszenierung. Neben exklusiven Arbeiten in Gold und Silber für eine Oberschicht überwiegen Medaillen, die in unedlen Metall und gelegentlich hohen Auflagen produziert wurden. Diese „Arte Plebeia“ entwickelte ihre Wirkmacht auch Bottom-up im gesellschaftlichen Zusammenwirken von Medailleuren und Auftraggebern auf der einen und dem Zielpublikum und Rezipienten auf der anderen Seite.

Vom 26. Mai 2023 – 7. April 2024 präsentiert das Münzkabinett die Sammlung erstmals im Rahmen der groß angelegten Sonderausstellung „Ius in nummis. Die Sammlung Thomas Würtenberger“. Begleitend erscheint eine Publikation, in der diese Sammlung und ihr Sammlungskonzept ausführlich vorgesellt werden


Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: smb.museum