Simone Eisele bedient sich für ihre bildhauerische Arbeit Symboliken und sozialen Handlungen von Festtagen, Traditionen und Brauchtümern. Sie isoliert deren visuelle Codes und überträgt sie auf ihre Objekte aus Textilien, Holz und Hartschaumstoff. Dabei berücksichtigt sie auch heute weitgehend kommerzialisierte Festtage – wie etwa den Valentinstag oder Halloween –, deren Bildkonzepte sich vor allem durch popkulturelle Einflüsse in Deutschland verbreiteten. Eisele verbindet diese Symbole und Handlungen in ihrer Kunst mit den Motivwelten von Jahrmärkten und Themenparks. So erinnern viele ihrer Objekte an Souvenirs, die dort zu kaufen sind.

Luftballons in Form von Buchstaben, Tieren oder Figuren aus der Popkultur sammeln sich an der Decke vor der neun Meter hohen Wand im unteren Ausstellungsbereich. Die Arbeit forever (2023) bildet das Zentrum der Präsentation. Üblicherweise sind Luftballons vergänglich, nicht so hier: Diese sind täuschend echt aus Styropor und Acrylharz angefertigt. Die ›Fakes‹ präsentieren sich als Spiel der Gegensätze – von Original und Imitation, Leichtigkeit und Schwere, Vergänglichkeit und Beständigkeit.

Im Mittelpunkt der raumgreifenden Installation Shrek forever after (2021) steht ein Geisterbahnwagen in Gestalt eines »Skelettmonsters«. Ihn umgeben Grabsteine und deren Bruchstücke sowie eine Ansammlung weiterer Elemente, darunter: Schokoladenkugeln mit lachenden Gesichtern, aneinandergereihte Äste oder Karotten in leuchtendem Orange. Eisele nimmt mit dieser Arbeit Bezug auf das Phänomen der »Tunnels of Love«, Themenfahrten auf Jahrmärkten, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreuten und den Zweck hatten, die Mitfahrer:innen enger zusammenzubringen. Auch wenn diese Fahrten vor Grusel- oder romantischer Kulisse heute nicht mehr weit verbreitet sind, haben sie sich durch Filme wie Alfred Hitchcocks Strangers on a Train (1951) oder durch die Serie »The Simpsons« (seit 1989) ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben. Der Titel Shrek forever after ist dem gleichnamigen Animationsfilm (2010) entlehnt – eine künstlerische Aneignung, die den stets humorvollen Ansatz der Künstlerin betont.

Das Medium Film ist ebenso eine wichtige Bezugsgröße für die Arbeit Good Morning, Mickey! (2020) – konkret: der frühe Zeichentrickkurzfilm Thru the Mirror (1936) aus den Studios von Walt Disney. Mickey Mouse betritt darin eine Traumwelt, in der jedes Objekt zum Leben erwacht. Eiseles Installation zeigt eine Momentaufnahme aus dem Film: Möbelstücke mit anthropomorphen Eigenschaften, scheinbar lebendig, verteilen sich im Raum. Auf dem Boden liegen kleinteilige Elemente verstreut, wie zufällig fallengelassen: ein Spielzeugauto, gewellte und durchlöcherte Spielkarten, silbernes Konfetti in Herzform.

It’s a long way back from Pleasure Island (seit 2021) ist eine Kollaboration mit dem Künstler Oliver Collins. Auf einem Floß, gestrandet im Ausstellungsraum, sind verschiedene Objekte angeordnet. Sie entstammen den Bildwelten von Film, Kunst, Literatur, Wissenschaft und Alltag – etwa Pinocchio, die Marionette, die vom Menschwerden träumt, oder ein kleines Holzpferd, dem in dem Science-FictionThriller Blade Runner 2049 (2017) eine Schlüsselrolle zukommt; der Film handelt von sogenannten ›Replikanten‹, die sich äußerlich nicht von Menschen unterscheiden. Die Imitationen aus bemaltem Hartschaumstoff ähneln ihren Vorbildern bis ins Detail. Und sieht man genauer hin, erkennt man, dass die arrangierten Objekte das Thema Original und Imitation nicht nur materialästhetisch aufgreifen, sondern auch selbstreferenziell.

Simone Eisele (*1994 in Reutlingen) studierte Freie Bildende Kunst an der Kunsthochschule Mainz sowie am Royal College of Art in London. Eisele erhielt kürzlich das 19. Stipendium der HAP Grieshaber Stiftung in Reutlingen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalogheft, das in Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden ist