Der künstlerische Ausgangspunkt des Ausstellungsprojekts ist im starken Sammlungsbezug des Museum Ludwig zu den USA zu finden. Diesmal jedoch wird nicht die Pop Art im Fokus stehen, sondern mit Marie Watt (geboren 1967 in Seattle, Washington) hat das Museum Ludwig eine zeitgenössische US-amerikanische, Indigene Künstlerin eingeladen. Ihre Arbeit Sky Dances Light von 2024, eine Installation von Wolken aus Blechschellen, bildet das Zentrum der Ausstellung.
Warum diese Arbeit? Marie Watt beobachtet eine starke Horizontalität in der westlichen Bildproduktion. Es ist die Weite die beschrieben wird, die zugleich erhaben und trennend ist. Dagegen setzt Watts Kunst auf Vertikalität und Verbindung. Sky Dances Light umfasst dreizehn von der Decke hängende Schellenwolken. Auf ihrer Webseite schreibt Marie Watt zu dieser Arbeit:
„Historisch gesehen wurden Schellen aus den gerollten Deckeln von Tabakdosen und anderen Blechdeckeln hergestellt. Sie sind in der indigenen Geschichte der Herstellung und des Geschichtenerzählens, der Verzierung und des Rituals verankert. Hier schweben sie zwischen Himmel und Erde. Gleichzeitig schwer und schwerelos, stoßen und klopfen die Schellen aneinander und erzeugen ein Rauschen, wenn sie von einer Brise bewegt werden. Sie verstärken die Geschichten der anderen und hallen bei jeder Bewegung nach.
Die Zinnschellen in dieser Arbeit sind eine Hommage an den Jingle-Dress-Tanz, der um 1900, während der Grippepandemie, als Heilungsritual beim Stamm der Ojibwe entstand. Die Idee für diesen Tanz kam einem Stammesältesten im Traum. Als er aufgeführt wurde, so die Vision, wurde das junge Mädchen, das zu der Zeit krank war, gesund. Der Jingle-Dress-Tanz war auch ein radikaler Akt. Im Jahr 1883 verboten die Vereinigten Staaten zeremonielle Versammlungen indigener Völker. Obwohl das Verbot 1978 mit dem American Indian Religious Freedom Act aufgehoben wurde, wurde der Jingle Dress Dance während des jahrhundertelangen Verbots mit anderen Stammesgemeinschaften geteilt. Heute ist er ein Pow-Wow-Tanz und wird weiterhin mit Heilung in Verbindung gebracht.“
Die sinnlichen, raumgreifenden Installationen von Marie Watt lassen sich als Antwort auf ein 2023 für das Museum Ludwig erworbenes Konvolut von 200 kitsch-bunten Fotochrome der Detroit Photographic Company lesen. Durch den Erwerb verwahrt das Museum Ludwig nun den größten Bestand an US-amerikanischen Fotochromen in Europa. Die um 1900 entstandenen, nachträglich kolorierten Aufnahmen, dienten als Postkartenmotive und wurden in einer Auflage von bis zu sieben Millionen Exemplaren pro Jahr verkauft – in New York, Yellowstone, Florida, Chicago und anderswo. Diese an den Rändern der Kunst entstandenen Fotografien prägen das Bild der USA bis heute: moderne Großstädte, spektakuläre Landschaften, menschenleere Weite.
De/Collecting Memories setzt da an, wo die Postkartenmotive enden, bei dem was sie nicht erzählen. Die vermeintlich unberührte Natur war Lebens- und Kulturraum vieler, lange bevor weiße Menschen sie sich zu Nutze machten; sie touristisch erschlossen, ihre Städte errichteten. Vor dem Hintergrund dieser kollektiven Erinnerungs- und Verdrängungskultur soll mit Sky Dances Light ein Gegengewicht geschaffen werden und ein Ort eingerichtet, der zum Reflektieren von Erinnerungen einlädt.
Heinrich-Böll-Platz
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