„Vorsicht, zerbrechlich!“ lautet der Titel einer besonderen Ausstellung, die ab Samstag, 8. Oktober, im Schaezlerpalais gezeigt wird. Zu sehen sind insgesamt über 150 Hinterglasgemälde, welche die Kunstsammlungen vor kurzem aus der Privatsammlung von Gisela und Prof. Wolfgang Steiner erwerben konnten. Bei der Ausstellungs-Eröffnung im Rahmen der Hinterglastagung am heutigen Abend wird ein Konvolut von 153 Exponaten aus der Hinterglas-Sammlung von Gisela und Prof. Wolfgang Steiner feierlich an die Kunstsammlungen übergeben. Die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Kulturstiftung der Länder und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien waren die drei maßgeblichen Förderer des Ankaufs. Unterstützt wurden sie vom Freistaat Bayern, der Stadt Augsburg sowie einem privaten Sponsor.

Die Sammlung Steiner
Das Sammlerehepaar Gisela und Prof. Wolfgang Steiner hat über mehrere Jahrzehnte hinweg die bedeutendste europäische Privatsammlung an Hinterglasgemälden mit inzwischen mehr als 700 Objekten zusammengetragen. Die in München und am Mondsee beheimatete Kollektion ist aufgrund ihrer qualitativen Dichte und ihres Umfangs einzigartig da sie nicht nur hoch qualitätsvolle Beispiele von der Zeit der Renaissance bis zum frühen 19. Jahrhundert beinhaltet, sondern auch geografisch einen weiten Bogen spannt: Schwerpunkt sind die deutschen Produktionszentren, hier vor allem der gesamte süddeutsche Raum, ferner die angrenzenden Regionen und Länder, darunter Österreich, Italien, Böhmen, die Schweiz, Flandern, die Niederlande und bis nach China mit Hinterglasgemälden für den europäischen Markt.

Kulturreferent Enninger: „Dank an alle Beteiligten“
„Das wichtigste Zentrum der Kunst der Hinterglasmalerei aber bildete die freie Reichsstadt Augsburg. Unsere Stadt setzte im 18. Jahrhundert Maßstäbe, da sich dort der so genannte »Augsburger Stil« herausbildete, der in ganz Europa populär wurde. Deshalb sind wir sehr dankbar für das Engagement aller Beteiligten, diesen besonderen Schatz für unsere Kunstsammlungen zu sichern“, so Jürgen K. Enninger, Kulturreferent der Stadt Augsburg.

Claudia Roth: „Zeugnis unseres kulturellen Erbes“
„Es ist ein wahrer Glücksfall, dass stolze 153 historische Glanzstücke der Hinterglasmalerei aus der privaten Sammlung Steiner nun in den städtischen Bestand der Kunstsammlungen & Museen Augsburg wechseln: Unter anderem von hier aus hat sich diese einzigartige Kunstform einst verbreitet und grenzüberschreitend Bedeutung erlangt. Um diese einzigartigen Zeugnisse unseres kulturellen Erbes öffentlich zugänglich zu machen, hat der Bund den Erwerb nach Kräften unterstützt. Für diesen wunderbaren Erfolg danke ich allen Beteiligten sehr.“, sagt die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth.

Markus Blume: „Augsburg Zentrum dieser Kunsttechnik“
Bayerischer Kunstminister Markus Blume betont: „Die Kunst der Hinterglasmalerei öffnet das Fenster in eine strahlende Welt auf Glas. Augsburg war einstmals ein bedeutsames Zentrum dieser traditionsreichen Kunsttechnik. Ich freue mich, dass mit Unterstützung des Freistaats Bayern diese einzigartigen Kunstwerke nun dauerhaft in Augsburg glänzen können.“

Prof. Hilgert: „Sammlung Steiner europaweit einmalig“
Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder hebt hervor: „Die Vielfältigkeit der Werke und der Umfang der Sammlung Steiner sind europaweit einmalig. Die Sammlung umfasst Beispiele aus allen deutschen Produktionslandschaften der Hinterglasmalerei. Mit unserer Förderung unterstützen wir den Ankauf von 153 besonders wertvollen Objekten, von denen viele in den Kunstsammlungen und Museen Augsburg bereits ausgestellt und katalogisiert wurden oder in Augsburg – das im 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten Produktionsstätten für Hinterglasmalerei zählte – entstanden sind.“

Dr. Hoernes: „Sammlungsschwerpunkt in Augsburg“
„Die Ernst von Siemens Kunststiftung hat sich in den vergangenen Jahren bereits mehrfach an der Erschließung der Hinterglasgemälde-Sammlung Gisela und Prof. Wolfgang Steiner durch Ausstellungen und Publikationen beteiligt. Selbstverständlich unterstützen wir nun auch den Erwerb eines wichtigen Teilkonvoluts durch die Kunstsammlungen und Museen Augsburg. Dies aber verbunden mit der Erwartung, dass das Sammlerpaar zukünftig auch mäzenatisch am weiteren Ausbau des Sammlungsschwerpunkts Hinterglasgemälde in Augsburg mitwirkt“, freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Dr. Trepesch: „Ideale Ergänzung unserer Bestände“
„Die 153 Hinterglasgemälde aus der Sammlung Steiner bilden aufgrund ihrer herausragenden Qualität eine wichtige Erweiterung unserer Bestände. Gerade die Hinterglaskunst, die im Augsburg der Barockzeit einen Schwerpunkt hatte, lässt das hohe Niveau der Kunstproduktion in der alten Reichsstadt deutlich werden. Zudem spannt die Neuwerbung einen Bogen zu unserer Grafischen Sammlung, da die Hinterglasgemälde oftmals nach Vorlagen Augsburger Kupferstiche geschaffen wurden.“, so Dr. Christof Trepesch, leitender Direktor der Kunstsammlungen und Museen Augsburg.

Ausstellung zeigt Entwicklung in vier Jahrhunderten
Die frühesten in der Ausstellung gezeigten Arbeiten stammen aus Tirol und dem Veneto des 16. Jahrhunderts. Dort stand in der Zeit um 1550 erstmals farbloses Flachglas als Bildträger für Hinterglasgemälde zur Verfügung. Während diese früheren Hinterglasbilder allesamt religiöse Motive zeigen, traten im 17. und 18. Jahrhundert profane Sujets wie Stillleben oder Genreszenen hinzu, die sich gleichzeitig auch in anderen Kunstgattungen großer Beliebtheit erfreuten. Im 19. Jahrhundert fand die Hinterglasmalerei vor allem in der Volkskunst Verbreitung: Kleinformatige Bilder gaben die Gnadenbilder berühmter Wallfahrtsorte wieder und dienten so als Andenken an Pilgerfahrten. Schutz und Hilfe versprachen wiederum die Darstellungen von Namenspatronen, die vom 18. bis ins 19. Jahrhundert in Serie produziert wurden.

Reicher Vorlagenschatz in Augsburg 
Augsburg war im 18. Jahrhundert neben der Schweiz und dem Staffelsee in Oberbayern eine der bedeutendsten Produktionsstätten für Hinterglasmalerei. Begünstigt durch die Bedeutung der Stadt als Zentrum druckgrafischer Erzeugnisse, stand den Hinterglasmalern vor Ort ein reicher Vorlagenschatz zur Verfügung. Die typischen Augsburger Hinterglasmalereien bestehen aus lasierenden Ölfarben in zartem Kolorit mit gedämpften Brauntönen und vorwiegend rötlichen Kontrasten. Eine besondere Rolle nehmen dabei die Stadtveduten Johann Wolfgang Baumgartners (1702–1761) ein, die in einer aufwendigen Farbradierungstechnik entstanden.

© Kunstsammlungen & Museen Augsburg
08.10.2022 - 15.01.2023

Vorsicht, zerbrechlich! Hinterglasgemälde aus vier Jahrhunderten

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