Die Ausstellung „Integrationswunder“ präsentiert erstmals eine neue Werkgruppe von Minh Duc Pham, in der sich der deutsch-vietnamesische Künstler mit dem Thema Arbeitsmigration beschäftigt. Im Zentrum stehen die Erfahrungen der zehntausenden Menschen, die in den Jahren vor dem Mauerfall aus den sogenannten Bruderstaa- ten in die DDR kamen und in Industriebetrieben eingestellt wurden. Ihr Leben oblag rigiden Vertragskonditionen und strenger behördlicher Kontrolle. Auch die Eltern des Künstlers migrierten als Vertragsarbeitende aus Vietnam in die DDR – ein Umstand, über den er in der MDR-Reportage „Deutsch genug? Fremd und daheim im Osten“ (2025) reflektierte.

Ein Artikel in einer Zeitschrift eines Volkseigenen Betriebs (VEB) lobt die „vietnamesischen Mädchen, die […] gewissenhaft ihren Arbeitsauftrag erfüllen“. In Holzkisten an der Wand liegen Keramikobjekte, die an Rosendornen erinnern. Eine weitere Wand wird von Fahnen gesäumt, die florale Motive und vietnamesische Schriftzüge tragen. Nicht zuletzt greift die Kunststoffskulptur im Ausstellungsraum das Rosenmotiv auf, denn sie lässt an Werkzeuge zur Entfernung von Dornen denken.

Blüten spielen als Form und Denkfigur für Minh Duc Phams künstlerische Praxis eine bedeutende Rolle. Diese Werkgruppe, die sich mit der strukturellen Diskriminierung gegenüber migrantischen Gast- und Vertragsarbeitenden befasst, greift die Rose auf. Rosen gelten gemeinhin als idealtypische Blumen, werden aber gleichzeitig mit Dornenentfernern zurechtgestutzt. Dies erinnert an das Narrativ von vietnamesischen Menschen als „Vorzeigemigrantinnen und -migranten“, das aber sowohl historische Missstände als auch gegenwärtigen Alltagsrassismus verschweigt.

Die mangelnde historische Aufarbeitung trifft auch auf die Erfahrungen anderer Gruppen zu, etwa der Vertragsarbeitenden aus anderen Ländern und der Gastarbeitenden der BRD. Die Rahmenbedingungen jener Migrationsbewegungen wirken bis in unsere Gegenwart nach.
Der Ausstellungstitel „Integrationswunder“ ist damit durchaus kritisch gemeint. Zur Diskussion steht, ob es nicht auch der durch diese Formen von Arbeitsmigration ermöglichte wirtschaftliche Vorteil ist, weshalb sich der Staat zu keiner strukturellen Veränderung oder Aufarbeitung der Frage angehalten sieht, auf wessen Kosten das „Wunder“ geschehen ist. Mit dieser Ausstellung stellt der Künstler das „Wunder“ reflexiv und künstlerisch in Frage.

Minh Duc Pham (geb. 1991 in Bad Schlema, Sachsen) studierte an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie an der UdK in Berlin. Seine Arbeit wurde international – etwa in den USA, Finnland und Vietnam – sowie an vielen Orten in Deutschland ausgestellt, u.a. im Haus der Kulturen der Welt in Berlin (2024) und dem Museum der bildenden Künste in Leipzig (2023). Im Jahr 2024 wurde er mit einer Arbeit für den Kunstpreis des Haus am Kleistpark nominiert, in der er sich mit den Zwangsabtreibungen vietnamesischer Vertragsarbeiterinnen beschäftigte. Er lebt und arbeitet in Berlin.

© Minh Duc Pham, Integrationswunder, 2024
04.04. - 06.07.2025

Minh Duc Pham: Integrationswunder

Galerie im Tempelhof Museum

Alt - Mariendorf 43
12107 Berlin