Die Ausstellung „Who by Fire: On Israel“ im Berliner Haus am Lützowplatz (HaL) nimmt mit 12 zeitgenössischen künstlerischen Positionen die Geschichte wie die Lebensrealität Israels in einen (selbst)kritischen Blick. Sie wird von dem in Tel Aviv lebenden Künstler und Kurator Liav Mizrahi kuratiert. Die aus Israel stammenden KünstlerInnen  sind sowohl jüdischer als auch arabisch-palästinensischer Herkunft. Drei der am Projekt beteiligten KünstlerInnen leben in Berlin. Ergänzt wird die Ausstellung von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm, an dem unter anderem Meron Mendel, Jakob Baier und Leon Kahane beteiligt sind, der auch als Künstler in der Ausstellung vertreten ist. 

Mit Werken von: 
Durar Bacri (Tel Aviv)
Michael Halak (Haifa)
Leon Kahane (Berlin)
Ariane Littman (Jerusalem)
Ella Littwitz (Tel Aviv)
Avner Pinchover (Tel Aviv)
Shlomo Pozner (Berlin)
Ariel Reichman (Berlin)
Fatma Shanan (Tel Aviv)
Dina Shenhav (Tel Aviv)
Relli de Vries (Tel Aviv)
Amir Yatziv (Tel Aviv)

Kuratiert von Liav Mizrahi im Dialog mit Dr. Marc Wellmann, künstlerischer Leiter Haus am Lützowplatz, Berlin.

Die Ausstellung wird durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert. Die Kulturstiftung des Bundes wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Das Konzept
Die KünstlerInnen vom "Who by Fire: On Israel" setzen sich explizit mit der aktuellen politischen Lage des Landes auseinander und stellen Fragen nach der israelischen Identität, insbesondere auch aus der Perspektive nicht-jüdischer Israelis. Bei der Vermittlung dieser mitunter komplexen Inhalte aus der Perspektive israelischer KünstlerInnen gerät auch ihre Verbindung zu Deutschland und dessen Geschichte in den Blick.

Kurator Liav Mizrahi (*1997 in Haifa) studierte bis 2008 in Haifa, Düsseldorf und Jerusalem Kunst und ist auch als politischer Aktivist tätig. Als Leitmotiv bei der Auswahl der künstlerischen Positionen der Ausstellung steht für ihn das Konzept des politischen Widerstandes in einer demokratischen Zivilgesellschaft. Darüber hinaus geht es in seiner Ausstellung um aktuelle Fragen der jüdischen und arabisch-palästinensischen Identitäten in Israel.

So zeigt etwa der arabische Maler Durar Bacri (*1982 in Acre) den in der Region verbreiteten Feigenkaktus auf eine Weise, dass er vor dem Hintergrund der Skyline von Tel Aviv als Symbol für eine palästinensische Identität in der jüdischen Mehrheitsgesellschaft verstanden werden kann. Tatsächlich ist diese Pflanze, die auf Hebräisch  "Zabar" (??????) heißt, auch ein nationales Symbol für jüdische Immigranten in den 1930er Jahren, die vor allem aus Russland und Osteuropa kamen, und deren Nachkommen sich selbst als Zabar (oder Sabre) bezeichneten, da sie die ersten waren, die im Land Israel geboren wurden. Auf ähnliche Weise befragt Michael Halak (*1975 in Fassut) seine vielschichtige Identität als arabischer Christ mit zwei Bildern eines israelischen und eines palästinensischen Passes, die mit Klebebändern in  Kreuzform auf einem Untergrund befestigt sind. Ella Littwitz (*1982 in Haifa), befragt mit ihrer Bronze-Skulptur "The Promise" die zionistische Vergangenheit und Gegenwart des Staates Israel. Es handelt sich dabei um eine Abformung von den Überresten eines Baumes, der 1898 von Theodor Herzl in der jüdischen Siedlung Azra gepflanzt wurde, als er sich in Palästina aufhielt, um den deutschen Kaiser zu treffen. "Riot Glass" von Avner Pinchover (*1980 in Jerusalem) nimmt einerseits territoriale Begrenzungen zum Thema und verweist andererseits auf die politischen Konflikte, die sowohl innerhalb der israelischen Gesellschaft als auch mit den arabischen Nachbarstaaten ausgetragen werden. Die in Tel Aviv lebende Künstlerin Relli de Vries (*1952 in Netanya) untersuchte in ihrer Arbeit “A-Z” den Unterscheid von tektonischen und politischen Grenzziehungen in Form zweier vor einer Wand hängenden Linien aus Edelstahl. Auf einem dazugehörenden Video erklärt eine arabische Bewohnerin von Umm el-Fahem den Verlauf dieser jahrtausendealten Grenze, die sich entsprechen den politischen Machtverhältnissen immer wieder verschoben hat. Die in Berlin lebenden Künstler Leon Kahane (*1985 in Berlin) und Shlomo Pozner (*1996 in Jerusalem) zeigen eine Gemeinschaftsarbeit aus zwei aufeinander Bezug nehmende Videos.  In dem einen ist der Neffe Kahanes zu sehen am Vorabend seiner Einberufung zum Militär. Er reflektiert in deutscher Sprache über die Herausforderungen, die ihn dort erwarten. Pozner interviewt in seinem Video seinen Bruder am Vorabend von dessen jüdisch-orthodoxer Hochzeitszeremonie.

Der Ausstellungstitel
Der Titel der Ausstellung verweist auf den Song “Who by Fire” des kanadisch-jüdischen Songwriters Leonard Cohen, der auf dem Album “New Skin for the Old Ceremony” (1974) erschienen ist. Seine Entstehungsgeschichte ist eng mit Cohens Reise 1973 nach Israel verbunden. Nach Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges trat er dort mit einheimischen MusikerInnen vor Einheiten der israelischen Armee auf. Der Text von “Who by Fire”, den Cohen unmittelbar nach diesen Eindrücken verfasste,  verarbeitet und zitiert das “Unetaneh tokef”, ein Gebet, das während Jom Kippur in der Synagoge gelesenes wird. Leonard Cohen ist im kollektiven Gedächtnis Israels aber auch für ein weithin bemerktes Zeichen der Versöhnung während seines letzten Konzertes in Jerusalem 2009 bekannt. Der Ausstellungstitel verweist also nicht nur auf eine der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen sich Israel gegen die arabischen Nachbarländer verteidigte, sondern auch auf die Möglichkeit der Überwindung von Traumata und der Versöhnung.

Das Haus am Lützowplatz (HaL) wurde 1960 auf Initiative des damaligen Bürgermeistes Willy Brandt gegründet und feiert 2023 den 60. Jahrestag der Eröffnung seiner Ausstellungsräume am Lützowplatz in Berlin. Im Zentrum des Programms des von staatlicher Subvention unabhängigen Kunstverein steht die Idee eines Brückenschlags zwischen künstlerischer, politischer und gesellschaftlicher Realität. Die Ausstellung "Who by Fire: On Israel" basiert auf einen etwa zwei Jahre dauernden kuratorischen Dialog zwischen Dr. Marc Wellmann, dem künstlerischen Leiter des Haus am Lützowplatz (HaL) und Liav Mizrahi. Beide kennen sich aus vom gemeinsamen Projekt Body without Body, 2011/12 am Georg-Kolbe-Museum.