„Was denkst du?“ Diese Frage scheint einfach, sogar beiläufig, und wir alle haben sie schon einmal gehört und wahrscheinlich auch gestellt. Sie unterbricht uns beim Nachdenken, bevor wir unsere Absicht formuliert und die richtigen Worte gefunden haben. Und obwohl die Frage Offenheit signalisiert, schwingt eine implizite Annahme mit: dass jeder Gedanke lesbar, teilbar und vor allem zielgerichtet sein sollte. Diese Forderung spiegelt eine allgemeine Tendenz unserer Zeit wider: den wachsenden Drang zur Selbstoffenbarung.

Die Ausstellung What Are You Thinkinggreift Susan Sontags wegweisenden Essay Against Interpretation (1964) auf, der das Bedürfnis hinterfragt, Kunstwerken eine Bedeutung aufzuzwingen – Materialien in Metaphern und Gesten in Argumente zu verwandeln. Sontag argumentierte, dass der Akt der Interpretation, falls überbetont, der Kunst ihre Unmittelbarkeit und sinnliche Wirkung nimmt. Stattdessen fordert sie uns auf, unsere Sinne wiederzugewinnen und Kunstwerken so zu begegnen, wie sie sind: komplex und mehrdeutig.

Verteilt auf die beiden Ausstellungsräume des Portikus vereint die Ausstellung Werke von Pablo Accinelli (geb. 1980, Argentinien), Jason Dodge (geb. 1969, USA), Florence Jung (Frankreich), Laura Lamiel (geb. 1943, Frankreich), Lucia Nogueira (1950–1998, Brasilien), Laurie Parsons (geb. 1959, USA) und Bill Walton (1931–2010, USA) – Künstler*innen, die über Generationen und geografische Grenzen hinweg ein gemeinsames Anliegen verfolgen: sich der interpretativen Vereinnahmung zu widersetzen. Während einige Werke minimalistisch wirken, bleiben andere vielleicht unbemerkt: ein Foto auf der Rückseite eines Kühlschranks, der zur Wand gekehrt ist, rostige Dosen auf einem Haufen Treibholz, von der Decke hängende Büroklammern und Vorhängeschlösser, eine Reihe geflochtener Körbe auf dem Boden.

Im Laufe von achtzehn Wochen entfaltet sich What Are You Thinking als zeitliche Komposition: Werke erscheinen, verschwinden und tauchen gelegentlich wieder auf, sodass sich die Ausstellung ständig wandelt und weiterentwickelt. Anstatt eine einzige, feststehende Aussage zu behaupten, bietet sie eine Abfolge von Begegnungen – und lässt dabei Raum für Zweifel, für unvollendete Gedanken und für Formen, die schwer greifbar und ungelöst bleiben. Durch die Veränderung der Nähe und in den Beziehungen zwischen den Kunstwerken entstehen neue Konstellationen und Wahrnehmungen. Es gibt keine Botschaften zu entschlüsseln – nur Einladungen, Mehrdeutigkeiten zu akzeptieren.

Der Titel der Ausstellung, der ohne Fragezeichen erscheint, ist einer Arbeit von Lutz Bacher (1943–2019, USA) entlehnt, die 2013 im Portikus ausgestellt hat – eine Hommage an den Widerstand der Künstlerin gegen Interpretationen. In einem kulturellen Klima, das zunehmend von Lesbarkeit und Rechtfertigung geprägt ist, bleibt Opazität eine politische Geste. Verweigerung – von Erklärung, Beteiligung oder Produktivität – kann als Form der Kritik fungieren.

What Are You Thinking wird von einer kostenlosen Publikation begleitet, die in Zusammenarbeit mit den Künstler*innen und ihren Nachlässen entwickelt wurde und die Offenheit der Ausstellung in gedruckter Form fortsetzt. Mit Texten der Künstler*innen, poetischen Fragmenten und historischen Texten bietet das Material keine Schlussfolgerungen, sondern lädt zu weiterer Reflexion ein.

Posterdesign: Julie Peeters
14.06. - 19.10.2025

What Are You Thinking

Portikus

Maininsel
60594 Frankfurt am Main