So wie wir sind 4.0 stellt rund 100 Werke von mehr als 80 Künstler*innen und -gruppen aus unterschiedlichen Zeiten und Kontexten zusammen. Fünf Themenareale auf 2.500 qm geben Einblick in die internationale Kunst von den 1960er Jahren bis in die heutige Zeit: Körperwelten, Deutschlandbilder, Ästhetischer Widerspruch, Verrückter Alltag und Minimalistische Tendenzen. Ergänzt werden diese thematischen Setzungen von einer Reihe von Künstler*innenräumen und einer außergewöhnlichen Kunstbar, einem ehemaligen Filmset. Auf diese Weise ergeben sich unerwartete Lesarten der Kunst der Gegenwart quer durch alle Medien. Die ausgestellten Arbeiten speisen sich dabei aus einer Vielzahl von privaten Sammlungen, aus den eigenen Beständen und aus Leihgaben von Künstler*innen.

"Was 2019 als Neuausrichtung an den Start ging, hat sich als erfolgreiches Format für die Weserburg Museum für moderne Kunst etabliert. So wie wir sind ist als serielle Sammlungspräsentation in mehreren Teilen angelegt und wird in regelmäßigen Abständen umfangreich variiert. Arbeiten kommen neu hinzu, wechseln ihren Ort oder verschwinden, Werkkonstellationen werden durchmischt und Themenareale überarbeitet - in einer Form, die kritische Befragung und entdeckungsfreudigen Wandel zum Prinzip erhebt." Janneke de Vries, Direktorin

So wie wir sind 4.0 nimmt zum Teil brisante Themen in den Blick. So verbinden CATPC und Renzo Martens postkolonialistische Fragen mit einem so perfiden wie klugen Kommentar auf den Kunstmarkt. Im Zentrum stehen dabei skulpturale Menschenbilder aus Schokolade, die ein Kollektiv im Kongo anfertigt, sowie ein Film, der die Suche nach einer kongolesischen Stammesfigur durch die westliche Welt begleitet. Elaine Sturtevant stellt mit ihren Werken dagegen die Frage nach den Wertigkeiten und Hierarchien im männlich dominierten Kunstbetrieb, hier kombiniert mit dem Warhol'schen „Original"

Viele der ausgestellten Positionen kreisen um die Frage unseres Zusammenlebens in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Die Miniaturlandschaften mit Häusern inmitten trostloser Abrissgebiete von Ahmet Ogüt zeigen z.B. die Kraft zivilen Widerstands auch gegen scheinbar übermächtige Gegner. Tin Reineckes Abguss einer Behördenpflanze oder Wolfgang Müllers FDP-Wahlstand entwerfen humorvoll-triste Bilder deutscher Wirklichkeit, in denen durchaus verborgene Poesie schlummert. Tracey Moffatt entlarvt das Hollywood-Klischee, das wir „Liebe" nennen. Und Sarah Ortmeyers Installation aus zusammengelegten Flaggenstoffen nimmt Geschichte auseinander und deckt dabei ungeahnte Strukturen auf.

So wie wir sind 4.0 thematisiert aber auch, wie wir unseren Körper betrachten. Gemälde von Miriam Cahn oder Tracey Emin zeigen eindrückliche Frauenbildnisse zwischen sinnlich-anziehend und zähnefletschend-wehrhaft. Dagegen erscheinen die Skulpturen von Laure Prouvost und Juan Muñoz wie surrealistische Traumbilder. Franz-Erhard Walthers Stoffskulpturen oder Nevin Aladaÿs

Wandinstallation wiederum nehmen den menschlichen Körper in den Blick, indem sie sich mit dessen aktiver Nutzung verbinden. Ein besonderes Highlight bleibt die museumseigene Bar: Mel Chin & GALA Committee verknüpfen mit einer Bar und begleitenden Objekten, allesamt Requisiten aus einer US-Fernsehserie der 1990er Jahre, Popkultur und subversiven gesellschaftskritischen Kommentar ebenso vergnüglich wie scharf. Dabei ist die Bar mehr als reine skulpturale Setzung, sondern wird auch als Treffpunkt für ein Getränk nach Veranstaltungen genutzt.