Die Ausstellung „Bernhard Heisig und Breslau“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie versammelt monumentale Gemälde des Künstlers rund um das Thema „Breslau“. Die Intensität seiner Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Kriegsgräuel und seiner damaligen Verblendung wird hier erlebbar. Die Betrachterinnen und Betrachter können Heisigs Ringen um Form nachempfinden, das sich durch das Variieren, Wiederholen und Kombinieren der Motive sowie einzelner symbolhafter Elemente äußert. Heisigs persönliche Erinnerungsbilder rütteln auf, insbesondere da die Botschaft des Zeitzeugen Parallelen zu aktuellen Bedrohungen zeigt. Die Vortragsreihe „Perspektiven zu Geschichte und Politik“ mit prominenten Referentinnen und Referenten vertieft die Inhalte der Ausstellung und schlägt die Brücke zum Heute. Die repräsentative Retrospektive ist vom 24. Mai bis 14. September 2025 zu sehen.

Das Leben von Bernhard Heisig, der 1925 im schlesischen Breslau geboren wurde, ist eng mit dem Schicksal seiner Heimatstadt während des Zweiten Weltkriegs verbunden. Als freiwilliges Mitglied der SS-Panzer-Division Hitlerjugend verbrachte er die letzten Monate des Krieges in einer Infanteriegeschützeinheit in der „Festung Breslau“, die die Nationalsozialisten gegen die sowjetische Rote Armee verteidigten. Dieses von vornherein aussichtslose Unterfangen ging mit der fast kompletten Zerstörung der Stadt einher. Nach der Kapitulation gelangte die Stadt, in Wrocław umbenannt, unter polnische Verwaltung. Ab 1946 wurde die deutschsprachige Bevölkerung vertrieben, darunter auch Bernhard Heisig. Er siedelte sich in der DDR an und befand sich damit in einem weiteren diktatorischen Regime, das von der sowjetischen Besatzungsmacht gesteuert wurde.

Erst 20 Jahre später drangen die Erlebnisse der Kriegsgräuel in Heisigs Kunst an die Oberfläche. Insbesondere in der Malerei, aber auch in der Druckgrafik, fand er eine Möglichkeit, seine traumatischen Erfahrungen festzuhalten und die eigene Verblendung zu verarbeiten. Psychologische Bewältigung verband sich im Schaffensprozess mit dem Streben nach einer seinen Anspruch erfüllenden künstlerischen Form. Bernhard Heisig ist einer der wenigen Künstler seiner Generation, die ihre Kriegserfahrung und ihre Beteiligung zum Thema machten. Die Ausstellung „Bernhard Heisig und Breslau“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie vereint Heisigs bewegende Erinnerungs- und Mahnbilder. Neben Werken aus eigenem Bestand sind bedeutende Leihgaben zu sehen.

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs muss sich Europa gegen die Aggression der russischen Autokratie wehren, sowie rechtsnationalen Strömungen in einzelnen Ländern gegensteuern, die die Demokratie gefährden. „Heisigs Botschaft rüttelt auf und deckt erschreckende Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf,“ fasst Dr. Agnes Tieze zusammen, Direktorin des KOG und Kuratorin der Ausstellung. 

Der Soldat Heisig und die Festung Breslau
Mit 16 Jahren meldete sich Bernhard Heisig freiwillig zur Wehrmacht. Sein Vater war gerade erst verstorben, seine Mutter war nicht einverstanden. Der junge Heisig entschied sich deshalb für die Waffen-SS, die die Zustimmung der Eltern nicht verlangte. Ein Jahr später, 1942, wurde er eingezogen. Selbst die Verwundung bei einem Tieffliegerangriff hielt ihn nicht von der Ausbildung für die „12. SS- Panzer-Division Hitlerjugend“ ab. Mit dieser beteiligte er sich an der Ardennenoffensive im Winter 1944/1945. Nachdem die Offensive kurz vor Dinant an der Maas in sich zusammenbrach, wurden aus Breslau stammende Soldaten abgezogen und zu Fuß in ihre Heimat geschickt. Hier sollten sie die Stadt, die zur Festung erklärt worden war, verteidigen. Frauen – darunter auch Heisigs Mutter, Kinder und nicht mehr einsatzfähige Männer mussten die Stadt verlassen, viele überlebten die unkoordinierte Flucht bei eisigen Temperaturen nicht. Die Rote Armee kesselte die Stadt bald ein. Um den Feind aufzuhalten, zerstörten die Verteidiger im erbitterten Kampf viele Gebäude selbst, wobei sie die gesamte Bevölkerung, auch verbliebene Kinder zu entsprechenden Arbeiten verpflichteten. Markante Bauten und Kirchtürme wurden gesprengt, um die Orientierung zu erschweren. Eine Flugzeugstart- und Landebahn wurde wie eine Schneise durch das Stadtzentrum gebaut. Die Bewohner mussten im Zuge dessen ihre Häuser verlassen und wurden von einem Stadtteil in einen anderen getrieben. Verheerend waren schließlich die Flächenbombardierungen Anfang April 1945. Die Kapitulation erfolgte am 6. Mai 1945, vier Tage nach Berlin. Zu diesem Zeitpunkt war Breslau eine der am stärksten zerstörten Städte Europas, obgleich sie bis Februar 1945 noch eine der letzten erhaltenen deutschen Großstädte darstellte.

Die Ereignisse in der Festung Breslau mit all dem Töten, dem Leid und den Zerstörungen haben Bernhard Heisig zeitlebens nicht mehr losgelassen. Die Bilder des verwüsteten Breslau kehren in seinen Gemälden immer wieder zurück.

Die Stadt und ihre Mörder
„Festung Breslau – Die Stadt und ihre Mörder“ lautet der vollständige Titel des ersten Gemäldes, das Bernhard Heisig der Erinnerung an die letzten Tage von Breslau widmete. Es zeigt drei Soldaten und eine liegende nackte Frau vor der Kulisse der Stadt. Die erste Fassung von 1968 übermalte Heisig gleich im darauffolgenden Jahr. Die Jahrhunderthalle von Max Berg als einzigen Verweis auf Breslau, ersetzte er durch einen anderen konkreten Ort. Es ist der Platz vor der Dombrücke über die Oder mit schmiedeeisernem Überbau und dahinter die Dom-Insel mit ihren Kirchenbauten. Der gleiche Blick findet sich auf weiteren Gemälden. In der Regensburger Ausstellung begegnet man dieser Ansicht auf Varianten der „Festung Breslau“ mit den Titeln „Festung Breslau IV“ und „Unterm Hakenkreuz“ (1973), im Porträt „Meine Mutter vor brennender Stadt“ (1976) sowie in weiteren Hintergrundszenen. In seinem Katalogbeitrag spricht Dr. Eckhart Gillen, Co-Kurator der Ausstellung, von einem „persönlichen Erinnerungsort“, den Bernhard Heisig für sich geschaffen hat.

Auch die Soldatengruppe verwandelte sich auf den einzelnen Übermalungen und Fassungen: So ist der Schütze unten rechts Mal ein verängstigter, verwunderter Junge, mal trägt er eine Augenbinde, mal wirkt er gefasst zielend, beides ein Verweis auf den Künstler selbst. Der mittlere Soldat verbirgt das Gesicht meist unter seinem Helm, einmal blitzt unter diesem ein Teil des Kinns auf, das sich beim genaueren Hinsehen als blanker Knochen entpuppt. Diese hochdekorierte Figur könnte dem kommandierenden General Niehoff entsprechen. Ihn überragt der Gauleiter Karl Hanke, der die Operation anführte, ohne Rücksicht auf Verluste bei seinen Leuten und der Zivilbevölkerung. Die Frau mit gebundenen Füßen, vergewaltigt, fällt am meisten auf dem Gemälde mit dem Untertitel „Die Stadt und ihre Mörder“ in den Blick. Als Heisig das Bild 1977 ein drittes Mal übermalte, bevor es auf der documenta 6 gezeigt wurde, zog er das Rot ihres schreienden Mundes nach. Für den Körper wählte er helle Rosatöne, mit denen er auch die Häuserfronten der Dom-Insel übertünchte. So verdeutlichte er die Verbindung zwischen der Stadt und der missbrauchten, geschundenen Frau.

Immer wiederkehrender Alptraum
An seine Wunden, die die Kriegserlebnisse hinterlassen hatten, tastete sich Bernhard Heisig langsam heran. Zunächst war es 1964 das Historienbild „Pariser Kommune“, ein offizieller Auftrag, in dem er seine subjektive Sicht, nämlich die des Täters, einbrachte. Es folgten erste Bildnisse der Mutter, die den Heimatverlust nie verwunden hatte. Die Lithografieserie „Der faschistische Alptraum“ entstand im Zusammenhang mit Zeichnungen, die im freien Assoziationsfluss hochgespült wurden. Den Prozess des Erinnerns und Verarbeitens von Verdrängtem, das während des Zeichnens und Malens Gestalt annahm, lenkte Heisig so, dass er zu künstlerisch ausgereiften Werken gelangte.

In der Gegenüberstellung seiner Gemälde in der Regensburger Ausstellung wird das Ringen um die Form deutlich – Heisig sprach selbst vom „Nahkampf“. Er übermalte die gleiche Leinwand mehrfach, entwarf unterschiedliche Fassungen eines Themas, variierte einzelne Elemente und wiederholte einmal gefundene Motive, die er als tragend empfand. So tauchen manche Figuren oder Figurenkonstellationen immer wieder auf. Auch bestimmte Gegenstände, wie zum Beispiel Lautsprecher, begleiten die Szenen. Sie verweisen auf die manipulierende Propaganda, die unter anderem mittels der Reichslautsprechersäulen im öffentlichen Raum stattfand. Verschiedene Blasinstrumente versinnbildlichen den Aufruf zum Krieg sowie den Gleichschritt der Marschmusik. Manche der dargestellten Gegenstände, wie zum Beispiel ein Stahlhelm oder die preußische Pickelhaube, gehörten zu Heisigs Atelier-Fundus und dienten ihm zusammen mit Fotos als Gedächtnisstütze.

In Heisigs sogenannten „Atelierbildern“, die Ende der 1970er Jahre entstanden, verdichten sich viele der Motive zu alptraumhaften Szenen. Der Künstler stellt sich in seinem Leipziger Atelier dar, wie er von den Bildern der Vergangenheit überflutet und bedrängt wird. Puppen, Soldaten, Tänzerinnen, nackte Frauen, Paare und die Mutter, damals bereits verstorben, bevölkern den kompletten Raum. Im Hintergrund dringt Heisigs persönliches Breslau-Panorama in den Innenraum ein.

Der Wahnsinn des Krieges
Hörstationen bieten in der Ausstellung einen Zusammenschnitt aus Interviews mit Bernhard Heisig aus dem Jahr 2000. Aufs Erste überrascht es, wie nüchtern Heisig über das Erlebte berichtet. Seine Bilder hingegen sprechen eine andere Sprache – die Münder öffnen sich zum Schrei, Lautsprecher und Posaunen dröhnen. Menschen, verwundet, verstümmelt, in einzelne Körperteile zerlegt, umspült von vielen erkennbaren Details sowie von bedrohlich amorpher Farbmasse überziehen die großzügig bemessenen Leinwände. Das Chaos quillt den Betrachtenden entgegen und überwältigt sie.

Gauleiter Hanke aus der „Festung Breslau“ verkörpert die Besessenheit durch den Krieg bis hin zum Wahnsinn. Mit aufgerissenem Mund legt er den Kopf in den Nacken und fasst sich entweder an seine Ohren mit Kopfhörern, über die er Nachrichten empfängt, oder bewundert in einer anderen Fassung geistesentrückt seine Mütze. In einem ähnlichen Zustand scheint der nackte Soldat auf dem Gemälde „Die Ardennenschlacht“ (1978-1981) zu sein. Er liegt auf einem bunten Teppich im heimatlichen Wohnzimmer und spielt mit einem kleinen Panzer, einem Aufziehspielzeug, das er mit dem Eisernen Kreuz wie mit einem Schlüssel in Bewegung setzen kann, während der von kämpfenden Soldaten bevölkerte Hintergrund zeigt, dass es kein Entrinnen gibt.

Neben solchen Symbolfiguren mit direktem Bezug zum Zweiten Weltkrieg, die wie bei Heisig üblich, in Variationen durch seine Bilder geistern, machte sich der Künstler Gedanken über historische Zusammenhänge und ging dem Fluss der Geschichte auf den Grund. Eine Spur führte nach Preußen. Im Gemälde „Preußischer Soldatentanz I“ (1978-1979) zeigt er den verheerenden Totentanz auf dem Schlachtfeld. Als er seinen eigenen Sohn in der Uniform der Nationalen Volksarmee der DDR betrachtete, fiel ihm die Ähnlichkeit zu seiner eigenen Wehrmachts-Uniform auf. Das Porträt des Sohnes erhebt er zu einem Mahnbild gegen den sich fortsetzenden Militarismus. Seine Botschaft bekräftigt er durch ein Zitat aus dem berühmten Triptychon „Der Krieg“ (1929/1932) von Otto Dix. Er schlägt den Bogen über drei Generationen vom Ersten und Zweiten Weltkrieg bis hin zur damaligen Gegenwart in der DDR während des Kalten Krieges.

Die Kunstdoktrin der DDR
Obwohl der Antifaschismus in der DDR als Legitimation für den Staat und dessen Diktatur diente, war eine reflektierende Auseinandersetzung mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs nicht erwünscht. Um das Volk auf den Aufbau des Sozialismus einzuschwören, galt es, den Blick nach vorne zu richten. Die Kunst sollte eine blühende Zukunft zeigen, geprägt von Gleichheit und Gerechtigkeit. Der staatlich festgelegte und von sowjetischer Seite geforderte Stil, war der Sozialistische Realismus. Er griff zurück auf die naturgetreue Darstellungsweise des späten 19. Jahrhunderts, die niederschwellig verständlich war und auch die Arbeiterklasse erreichte. Heisigs Inhalte und seine Kunstsprache, zu der er sich Mitte der 1960er Jahre durchrang, passten ganz und gar nicht in dieses Schema. In dieser Zeit eskalierte sein Kampf um mehr Selbstbestimmung, den er als Dozent und seit 1961 als Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig führte. An der wichtigsten Erziehungsanstalt für die sozialistische Künstlerschaft durfte er mitwirken, da er bereits 1947 der SED beigetreten war. Im März 1964 forderte er, dass der Künstler nicht nur seine Freuden und Wünsche, sondern auch seine Angst, Unvollkommenheit und Leiden teilen dürfe und betonte, dass auch der Tod zum Leben gehöre und nichts verdrängt werden dürfe. Daraufhin musste er sein Amt niederlegen und wurde zur sogenannten Selbstkritik genötigt. Doch auch danach blieb Heisig präsent. Er wurde mit verschiedenen Kunstpreisen ausgezeichnet und bekam öffentliche Aufträge. Das Rektorat an der Hochschule in Leipzig wurde ihm 1976 erneut übertragen. 1977 vertrat er gemeinsam mit anderen Künstlern die DDR auf der documenta 6 in Kassel und wurde im Folgejahr zum Vizepräsidenten des Verbands Bildender Künstler gewählt. Zusammen mit Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke war Heisig eine der prägenden Persönlichkeiten der so genannten Leipziger Schule.

Katalog und Begleitprogramm
Begleitend zur Ausstellung bietet der Katalog mit Beiträgen von Dr. Eckhart Gillen, Prof. Dr. Bernhard Maaz und Dr. Agnes Tieze Einblicke in verschiedene Aspekte von Bernhard Heisigs Schaffen und bettet es in den kunstgeschichtlichen Kontext ein. Zahlreiche Führungsangebote vermitteln die Inhalte der Ausstellung. Hervorzuheben ist insbesondere die Expertenführung mit Dr. Eckhart Gillen, dem ausgewiesenen Kenner für die Kunst der DDR und insbesondere für Bernhard Heisig am Samstag,

24. Mai um 11 Uhr. Die Kuratorinnenführung mit Dr. Agnes Tieze findet am Donnerstag, 5. Juni um 18.30 Uhr statt. Die Vortragsreihe „Perspektiven zur Geschichte und Politik“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Regensburg und dem Leibnitz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung greift verschiedene Themen der Ausstellung auf und vertieft sie. Die Beiträge prominenter Referentinnen und Referenten, darunter unter anderem Prof. Dr. Gregor Thum, Department of History, University of Pittsburgh, und Prof. Dr. Martin Aust, Abteilung für Osteuropäische Geschichte, Rheinische Friedrich- Wilhelms-Universität Bonn, sind für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich.

Gemeinsam mit der Sparkasse Regensburg lädt das Kunstforum Ostdeutsche Galerie zur kostenlosen Kunststunde für Groß und Klein ein. Während die Eltern eine Führung durch die neue Ausstellung „Bernhard Heisig und Breslau“ bekommen, erkunden die Kinder die Welt der Farben. Teilnehmen kann man nach vorheriger Anmeldung.

Die REWAG-Nächte 2025 finden dieses Jahr am Freitag, 1. August und Samstag, 2. August, statt. neben dem musikalischen Programm erwarten hier die Gäste Kurzführungen durch die Ausstellung „Bernhard Heisig und Breslau“. Die Kreativstationen im Kunstzelt sind unter anderem von Bernhard Heisigs „lauten“ Bildern inspiriert, aber auch von Geschichten rund um das „Rathaus von Breslau“, einem Gemälde in der Dauerausstellung des KOG. 


Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 10:00 - 17:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: kunstforum.net