Freiwillig kamen sie nicht an den Bodensee – und doch blieben viele. Die Künstler, die sich in den 1930er- und 1940er-Jahren auf der Höri niederließen, flohen vor dem (kultur-)politischen Druck der NS-Herrschaft und dem Luftkrieg in den großen Städten. In der Abgeschiedenheit der Halbinsel fanden sie einen Rückzugsraum, künstlerische Freiheit und ein neues Wirkungsfeld. Was mit der Ankunft einzelner wie Hermann Hesse bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann, wurde im Nationalsozialismus zum Fluchtpunkt einer ganzen Generation von Malern, Zeichnern und Bildhauern – die nach 1945 maßgeblich zur Etablierung des westlichen Bodenseeraums als Kunstregion beitrugen.

Die Namen dieser Künstler, die als »politisch unzuverlässig« oder deren Kunst als »entartet« diffamiert wurden, liest sich wie ein Who is Who der klassischen Moderne, darunter Otto Dix, Erich Heckel, Max Ackermann, Curth Georg Becker, Ferdinand Macketanz oder Rose Marie Schnorrenberg. Sie stehen zugleich exemplarisch für die künstlerische Vielfalt jener Jahre und prägen bis heute das Bild vom Bodensee. Eine Künstlerkolonie im klassischen Sinne aber bildeten die »Höri-Künstler« nie – zu unterschiedlich waren ihre Herkunft, ihr Alter, ihre künstlerischen Ansätze. »Man soll ja kein Worpswede aus der Gegend machen«, schrieb Ferdinand Macketanz und brachte damit die Haltung vieler auf den Punkt. Zwischen Expressionismus, Abstraktion, Neuer Sachlichkeit und französisch inspirierter Moderne offenbart sich ein vielstimmiges Panorama der »inneren Emigration« und künstlerischen Selbstbehauptung.

Die umfassende Ausstellung vereint rund 60 Werke – darunter Neuzugänge und restaurierte Arbeiten – ergänzt um Arbeiten von befreundeten Künstlern, die am Bodensee auf Zeit Zuflucht fanden oder ihre Kollegen dort aufsuchten, wie Julius Bissier, Ludwig Gabriel Schrieber, Franz Lenk, William Straube u.a. mehr. Büsten und Portraits ihrer Sammler und Unterstützer runden die Ausstellung ab. Damit unterstreicht das Kunstmuseum Singen seine Rolle als bedeutendstes Forum der »Höri-Künstler«. 

Abb.: Curth Georg Becker (1904-1972) Harlekin (Ausschnitt), 1947, Wasserfarben, Farbkreiden auf Bütten, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
18.05. - 21.09.2025

»Man soll kein Worpswede aus der Gegend machen«. Die Künstler der klassischen Moderne auf der Höri.

Kunstmuseum Singen

Ekkehardstr. 10
78224 Singen