Mit Poesie des Lichts feiert das Museum Frieder Burda einen der großen Pioniere des Abstrakten Expressionismus: den Maler, Bildhauer und Fotografen Richard Pousette-Dart (1916–1992). Dabei handelt es sich um die bislang größte Werkschau, die diesem bedeutenden Vertreter der amerikanischen Nachkriegsmoderne außerhalb der USA zuteilwird. Gezeigt werden Gemälde, Skulpturen, Objekte, Zeichnungen und Fotografien aus mehr als sechs Schaffensjahrzehnten – darunter zahlreiche Werke aus Privatbesitz, die sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Zu den 137 Leihgaben aus 17 internationalen Sammlungen gehören großformatige Meisterwerke des Abstrakten Expressionismus, die das Brooklyn Museum, das Museum of Modern Art und das Whitney Museum of American Art in New York zur Verfügung gestellt haben.
Für mich ist Kunst der Himmel, der sich unaufhörlich öffnet, wie ein asymmetrisches, unkalkulierbares, impulsives Kaleidoskop. Kunst ist Magie, sie ist Freude, mit Gärten voller Überraschungen und Wunder. Kunst ist Energie, Impuls. Sie ist Frage und Antwort. Sie ist transzendentale Vernunft. Sie ist ihrem Geist nach ganzheitlich.
Richard Pousette-Dart, 1951
Neben Kollegen wie Jackson Pollock und Mark Rothko spielte Pousette-Dart eine herausragende Rolle im Heranreifen der New York School, die in den 1940er Jahren den internationalen Siegeszug der freien Abstraktion einleitete. Wie viele Künstlerinnen und Künstler im Kreis der Abstrakten Expressionisten setzte er sich intensiv mit Themen wie Mythos, Archaik und Spiritualität auseinander. Frühe Arbeiten zeugen von einem regen Interesse an der europäischen Malerei der Zwischenkriegszeit. Ab den 1960er Jahren wandte er sich großformatigen Allover-Kompositionen zu – farbstarke Bildräume, die die Betrachter unmittelbar in ihren Bann ziehen.
Ein wichtiger Einfluss auf Pousette-Darts frühe Entwicklung war das äußerst fortschrittliche Umfeld, das ihm seine Eltern boten. Seine Mutter Flora war eine Dichterin und Schriftstellerin, die sich vehement für den Feminismus einsetzte und deren politischer Aktivismus vom Eintreten für die Gleichstellung der Geschlechter bis zum Engagement für Sozialismus und Wohlfahrt reichte. Pousette-Darts Vater Nathaniel hingegen war selbst Künstler und ermutigte seinen Sohn bereits im Kindesalter, mit dem Zeichnen und der Malerei zu experimentieren. Als Herausgeber der Zeitschrift Art and Artists of Today setzte Nathaniel sich entschieden für die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks ein – und das zu einer Zeit, in der totalitäre Systeme in Deutschland, Italien und der Sowjetunion zunehmend versuchten, die Rolle der Kunst auf die eines Propagandainstruments zu reduzieren. Nathaniels Fokus auf die Bedeutung freier künstlerischer Selbstentfaltung entsprach dem geistigen Klima im New York der späten 1930er- und frühen 1940er-Jahre – eine Zeit künstlerischer und intellektueller Umbrüche, in der die erste Generation des Abstrakten Expressionismus langsam heranreifte.
Pousette-Darts Verbindung zu dieser einflussreichen Strömung der US-amerikanischen Nachkriegsmalerei wurde unter anderem durch seine Teilnahme an der bahnbrechenden 9th Street Art Exhibition untermauert, die 1951 in New York stattfand. Im gleichen Jahr erschien Pousette-Dart auf Nina Leens berühmtem Porträtfoto The Irascibles, das im Kulturmagazin Life veröffentlicht wurde und das Image der Abstrakten Expressionisten als radikale Vorreiter der Avantgarde nachhaltig zementierte. Obwohl Pousette-Darts Beitrag zur Malerei der Nachkriegszeit in erster Linie mit seiner frühen und wichtigen Rolle im Kollektiv des Abstrakten Expressionismus gesehen wird, lehnte der Künstler das Denken in „Ismen“ kategorisch ab. Seine Ideen zur Kunst hielt er regelmäßig in unzähligen kleinen Notizbüchern fest und fasste sie 1951 bei einer Rede für Kunststudenten der School of the Museum of Fine Arts in Boston zusammen.
In diesem umfangreichen Künstlerstatement betonte Pousette-Dart die Bedeutung kreativer Selbstentfaltung und sprach von der Malerei als einem Bereich, der aufs engste mit einer intuitiven Erforschung des Unsichtbaren und Verborgenen verbunden sei.
„Der Künstler muss auf der Hut sein vor allen Schulen, Ismen, Glaubensbekenntnissen oder Verstrickungen, die dazu neigen, aus ihm jemanden zu machen, der er nicht ist. Er muss allein stehen, frei und offen für Aus- und Eingänge in alle Richtungen, und doch mit allen Freiheiten, er muss in der Substanz seiner Form fest in der Wirklichkeit verankert sein.“
Während viele von Pousette-Darts Kollegen durch einen unmittelbar wiedererkennbaren Stil bekannt wurden – Jackson Pollock mit seinen wild geschleuderten Farbschlieren („Drip Paintings“) oder Barnett Newman mit seinen streng reduzierten Streifenbildern („Zip Paintings“) – blieb Pousette-Darts Entwicklung zeitlebens von unzähmbarer Experimentierfreude geprägt. Eine Konstante in seinem Schaffen war jedoch seine lebenslange Faszination für die emotionale Wirkung des Lichts: Licht als Schimmer und Glanz, Licht als schillernd irisierende Reflexion sowie Licht als strahlende Kraft, die mit der Freisetzung grenzenloser Energie verbunden ist. Besonders eindringlich zeigt sich dieses Interesse an den zahlreichen späten Gemälden, in denen der Künstler der Schönheit des nächtlichen Sternenhimmels nacheiferte – aber auch in Arbeiten, in denen er Inspiration aus dem Glitzern und Leuchten von mittelalterlichem Kunsthandwerk oder gotischen Buntglasfenstern bezog. Der ästhetische Reiz glänzender Reflexionen liegt auch den vielen Messingobjekten zugrunde, die Pousette-Dart im Laufe seiner langen Karriere geschaffen hat: handgefertigte Gegenstände, die die Grenze zwischen avantgardistischer Skulptur und modernem Schmuck überschreiten und darüber hinaus ein Lexikon elementarer Formen bieten, die in den gemalten Bildern des Künstlers häufig wiederkehren.
Eine Ausstellung des Museum Frieder Burda, Baden-Baden, in Zusammenarbeit mit der Richard Pousette-Dart Foundation, New York.
Lichtentaler Allee 8 b
76530 Baden-Baden