Lerato Shadi hinterfragt in ihren Arbeiten westliche Vorstellungen von Geschichte und enthült Mechanismen struktureller Ausgrenzung und Unterdrückung. Um Übersehenes, Vergessenes oder Verdrängtes sichtbar zu machen, setzt sie ihren Körper als Medium ein – oftmals in ausdauernden, körperlich herausfordernden Performances. Die Einzelausstellung Maru a Pula Is a Song of Happiness im KINDL – Zentrum für zeitgenösische Kunst präsentiert Videos und installative Werke sowie eine neue Serie von Textilarbeiten, die das Verhältnis von Tafelbild und Performativität thematisiert.

Shadis Werk I Know What a Closed Fist Means (2020) zeigt vier verschiedene Varianten erhobener Fäuste mit jeweils unterschiedlicher Daumenstellung. Die erhobene, geballte Faust ist ursprünglich ein Symbol verschiedener sozialer Bewegungen seit dem 19. Jahrhundert. Sie kann für Solidarität, Widerstand oder Wut stehen und wird auch mit durchaus gegensätzlichen politischen Bewegungen in Verbindung gebracht. Shadis Spiel mit dem Daumen lässt zahlreiche Interpretationen und Dechiffrierungen zu. Der Titel des Werks steht hingegen in bewusstem Widerspruch zu dieser Offenheit und verweist darauf, dass persönliches Wissen und subjektive Erfahrung die Lesarten bestimmen.

In der Videoarbeit Selogilwe (2010) produziert die Künstlerin einen immer länger werdenden Schlauch aus rotem Garn, der vom Sockel, auf dem sie sitzt, dem Boden entgegenwächst. Die rund siebenstündige Performance endet, als physische Erschöpfung die Fortsetzung unmöglich macht. Shadis stunden-, mitunter sogar tagelangen Performances beinhalten immer auch den Aspekt der Inanspruchnahme und „Besetzung“ eines Ortes. So wird das Stricken als traditionell weiblich konnotierte Kulturtechnik zum widerständigen Akt.

Eine Serie ganz neuer Textilarbeiten, die in der Ausstellung im KINDL erstmals zu sehen ist, ist das Ergebnis eines anstrengenden, durch mehrtägiges Fasten vorbereiteten Herstellungsprozesses. Mit den teils großformatigen, in Rot gehäkelten Gevierten, die auf Leinwand genäht und auf Keilrahmen gezogen wurden, bringt Shadi Aspekte der Performativität mit den Eigenschaften des Tafelbilds und der Malerei in Zusammenhang.

Der Ausstellungstitel geht auf das Lied „Maru a Pula“ (etwa „Regenwolken“) zurück, das die südafrikanische Jazz- und Popsängerin Letta Mbulu 1976 im US-amerikanischen Exil veröffentlichte, wo sie Zuflucht vor dem Apartheidregime in Südafrika fand. Mit dem Zitat der ersten Liedzeile – „Maru a pula is a song of happiness“ – nimmt Lerato Shadi Bezug auf unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Phänomens in verschiedenen Kulturkreisen: Regenwolken als Vorboten schlechten Wetters oder als Grundlage reicher Ernte.

Immer wieder verwendet Shadi in ihren Werk- und Ausstellungstiteln Elemente aus ihrer Muttersprache Setswana, einer der elf Amtssprachen der Republik Südafrika, die von rund zehn Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Obwohl sie Angaben zur Bedeutung zulässt, sieht die Künstlerin keine direkte Übersetzung vor. Damit hinterfragt sie die bedingungslose Übernahme einer kolonialen Sprache wie des Englischen und der darin transportierten Weltsicht.

Lerato Shadi (geboren in Mahikeng, Südafrika) lebt in Berlin. Ihre Arbeiten wurden weltweit gezeigt, zuletzt u. a. im Musée d’Art Moderne de Paris (ab Dezember 2020), der 14. Curitiba- Biennale in Brasilien und bei SAVVY Contemporary, Berlin (beide 2019), der Kunsthal KAdE Amersfoort und dem Zeitz Museum of Contemporary Art Africa in Kapstadt (beide 2018) sowie im Programm The Parliament of Bodies auf der documenta 14 in Kassel (2017).


Öffnungszeiten:
Mittwoch: 12:00 - 20:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag: 12:00 - 18:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: kindl-berlin.de

16.09.2020 - 07.02.2021

Lerato Shadi: Maru a Pula Is a Song of Happiness

KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst

Am Sudhaus 3
12053 Berlin