Für die Ausstellung sind gänzlich neue Arbeiten in Önens Atelier entstanden, die nun erstmals im Kunstverein präsentiert werden. In seiner künstlerischen Praxis fordert der Maler stets die etablierten Formeln der akademischen Malerei heraus, bricht mit ihnen, aber auch seinem eigenen Werk und der eigenen Identität, den Tropen von Männlichkeit und Queerness. Das Ergebnis dieser Brüche ist damit vorab keinesfalls definiert – Önen arbeitet von etwas ausgehend, aber nicht auf etwas abzielend. Seine Malerei ist selbstreflexiv, teilweise werden reale Situationen oder persönliche Begebenheiten als Referenzen herangezogen, verbinden sich aber mit imaginären Strängen, die gekreuzt werden mit Elementen aus der Geschichte der Malerei. Dabei nehmen die Arbeiten auf alte Meister Bezug, deren künstlerisches Potential sie in ihrer malerischen Essenz aufgreifen und auf neu gedachte Bahnen lenken, ins Jetzt holen und in genuine Zusammenhänge setzen.

Farbe, Licht, Bewegung, Spannung, Körper, Silhouetten und Raum kollidieren in den intuitiv entstandenen Prozessbildern, die sich gewollt und sichtbar mit Übermalungen, Überlagerungen und Schichtungen ihre eigene Historie de facto einschreiben. Die malerische Intuition tritt klar vor das Narrativ. Das Entstehen der Arbeiten ist eine stetige Suche, eine begierige Annäherung an das Neue.

Die im Neuen Aachener Kunstverein gezeigten Werke stellen abermals eine neue formale Richtung für den Künstler dar. Zeigten seine früheren Arbeiten eine queere Sub- und Clubkultur, gekoppelt mit einem Kreisen um Ideen von unterschwelliger Melancholie, subliminaler Einsamkeit als auch sexuellem Begehren, so scheint in der Serie Haystacks aus dem Jahr 2022 der klar sichtbare Kampf um Ideen von Männlichkeit und Queerness zwar nicht überwunden, aber in den Hintergrund zu treten.

Nun öffnet sich Murat Önen mit der Ausstellung doing the work einem breiten, multithematischen Feld. Die Arbeiten untersuchen Komplexe wie Isolation, Einsamkeit, das Verlangen nach Zusammensein und Zugehörigkeit, stellen Fragen nach der Herkunft von Sexualität. So etwa im Afterhour-Bild Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, welches ein Gruppenporträt des Freundeskreises des Malers zeigt. In der Komposition der Körper erinnert das Bild an die Haystacks, Önen schafft aber gekonnt über die persönlichen Bezüge eine nicht eindeutige Momentaufnahme voller Auslegungsspielräume. Bilder wie diese sind der malerische Versuch des Willens sich zu öffnen, aber auch des Scheiterns dieses Vorhabens, was vom Künstler jedoch als Chance begriffen wird. Sie zeigen den daraus resultierenden Zustand der Unruhe, der Unsicherheit, den Blick auf die psychologischen Momente. Trauma, archiviert in Boxen, sich öffnend, sich schließend, den Einblick zulassend. Auch auf Önen selbst, denn erstmals erkennt man in den neuen Werken vereinzelte Selbstporträts des Malers.

Önens Malerei ist mal figurativ, mal abstrakter, gestisch, auslassend, Fläche statt Ort, konkret, nicht konkret, komplex in der Komposition oder bestechend einfach, neugierig eine Farbigkeit entdeckend, dynamisch, ineinandergreifend, bewegt, die Grenzen auslotend, aus der Zeichnung kommend nicht unbedingt stets ausformuliert, besser: keinesfalls ausformuliert, wieso auch? Murat Önens Werke doppeln so die Veränderung und den Zweifel an einer zeitgenössischen figurativen Malerei. Murat Önens Bilder sind bestechend angstfrei, experimentell, bleiben offen, die Motive einem Tafelbild gleich zusammengefügt und doch einzelne Ideen, Momentaufnahmen, nichts ist abgeschlossen, auch nicht die Ausstellung. Malen ist Befreiung.

Der Titel der Ausstellung referiert allerdings auch gegen die romantische Idee des Malers als zufriedenes Genie in der Abgeschiedenheit des Ateliers. Önen betont den Wert der Arbeit, aber auch die damit verbundene Einsamkeit und Anstrengung des künstlerischen Prozesses, den inneren Konflikt, buchstäblich und immerzu doing the work. Zudem kann der Titel im übertragenden Sinne auch auf den Künstler und dessen persönliche Entwicklung bezogen werden: Önen arbeitet an sich selbst.

Für den NAK hat Murat Önen seine künstlerische Praxis darüber hinaus multidisziplinär geöffnet. So hat er erstmals eine installative Licht- und Soundarbeit entwickelt, die sein malerisches OEuvre zwar komplimentiert und einbezieht, aber vor allem als eigenständiges Werk neben ihm besteht. Die im oberen Stockwerk des Kunstvereins gezeigte Installation schafft einen dunklen Raum, clubartig, intim, stets in Bewegung, Soundflächen, Geräusche, Aufnahmen, collagiert und den einen Moment betonend. Ein Kommen und Gehen. Hören und Sehen finden so zusammen. Es ist diese Erweiterung der eigenen Praxis, für die Önen mit Paul Förster (Licht) und Aki Vierboom (Musik) kollaboriert – und damit abermals die eigene Einsamkeit im künstlerischen Schaffen als Maler bricht.

Önen (*1993, Istanbul) studierte an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste. Aktuell studiert er Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Professorin Yesim Akdeniz. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf.